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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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meinen Augen immer größer und bedrohlich wie ein Elefant geworden war. An der Tür gab Marta Otter mir einen schüchternen Kuss auf die Stirn und sagte, wir würden in Kontakt bleiben und sie werde in ein, zwei Jahren nach Kalifornien kommen, weil Hans und Vilhelm Disneyworld sehen wollten. »Das ist in Florida«, erklärte ich. Meine Nini zwickte mich, damit ich den Mund hielt.
    Im Taxi bemerkte meine Nini lässig, die Abwesenheit meiner Mutter sei alles andere als ein Schaden, es sei doch ein Segen, dass ich frei und verhätschelt in dem verwunschenen Haus mit den bunten Wänden und dem Sternguckerturm in Berkeley aufwüchse und nicht in der kargen Umgebung dieser Dänin. Ich holte die Glaskugel mit der kleinen Meerjungfrau aus meiner Tasche, und als wir ausstiegen, ließ ich sie auf der Rückbank des Taxis liegen.
    Nach dem Besuch bei Marta Otter war ich monatelang bedrückt. Um mich aufzumuntern, brachte mir Mike O’Kelly zu Weihnachten einen Korb, der mit einem karierten Geschirrtuch abgedeckt war. Als ich das Tuch anhob, fand ich darunter, friedlich schlafend auf einem zweiten Geschirrtuch, eine weiße Hündin von der Größe einer Pampelmuse. »Sie heißt Daisy, aber du kannst ihr auch einen anderen Namen geben«, sagte der Ire. Ich verliebte mich haltlos in Daisy, rannte mittags aus der Schule nach Hause, um keine Minute mit ihr zu versäumen, siewar meine Vertraute, meine Freundin, mein Spielzeug, sie schlief in meinem Bett, aß von meinem Teller und ließ sich von mir herumtragen, sie wog nicht mal zwei Kilo. Dieses Tier brachte mich zur Ruhe und machte mich so glücklich, dass ich nicht mehr an Marta Otter dachte. Mit einem Jahr wurde Daisy zum ersten Mal läufig, der Instinkt siegte über ihre Scheu, und sie lief weg auf die Straße. Weit kam sie nicht, an der Ecke wurde sie von einem Auto erfasst und war sofort tot.
    Meine Nini fühlte sich außerstande, mir die Nachricht zu überbringen, sagte meinem Pop Bescheid, der an der Universität alles stehen und liegen ließ und zu mir in die Schule kam. Man holte mich aus dem Unterricht, und als ich ihn sah, wie er da auf mich wartete, wusste ich es schon, ehe er den Mund aufmachte. Daisy! Ich sah sie rennen, sah das Auto, sah den leblosen Körper meiner kleinen Hündin. Mein Pop nahm mich in seine großen Arme, drückte mich an sich und weinte mit mir.
    Wir legten Daisy in eine Kiste und begruben sie im Garten. Meine Nini wollte eine andere Hündin besorgen, die Daisy möglichst ähnlich sein sollte, aber mein Pop sagte, es gehe nicht darum, sie zu ersetzen, sondern darum, ohne sie zu leben. »Ich kann das nicht, Pop, ich habe sie doch so lieb gehabt!«, schluchzte ich untröstlich. »Diese Liebe ist in dir, Maya, nicht in Daisy. Du kannst sie anderen Tieren geben, und wenn etwas übrig bleibt, gibst du es mir«, sagte mein weiser Großvater. Diese Lektion über die Liebe und die Trauer wird mir jetzt weiterhelfen, denn ich habe Daniel zwar mehr geliebt als mich selber, aber nicht mehr als meinen Pop oder Daisy.
    Schlechte Neuigkeiten, sehr schlechte, hier würde man sagen: »Es regnet auf die Nassen«, wenn immer noch ein Unglück dazukommt; erst Daniel und jetzt das. Genau wie ich befürchtet hatte, hat das FBI meine Spur gefunden, undOfficer Arana ist in Berkeley aufgetaucht. Was nicht heißen muss, dass er nach Chile kommt, sagt Manuel, um mich zu beruhigen, aber mir ist mulmig zumute, denn wenn er schon seit November letzten Jahres nach mir sucht, dann hört er bestimmt nicht jetzt damit auf, wo er meine Familie ausfindig gemacht hat.
    Arana stand in Zivil bei meinen Großeltern vor der Haustür und hatte seine Polizeimarke gezückt. Meine Nini war in der Küche, und mein Vater ließ ihn herein im Glauben, es gehe um einen von Mike O’Kellys straffälligen Jugendlichen. Das Herz rutschte ihm in die Hose, als Arana ihm sagte, er ermittle in einem Fall von Geldfälschung und müsse Maya Vidal, alias Laura Barron, ein paar Fragen stellen; der Fall sei so gut wie abgeschlossen, sagte er, doch befinde sich das Mädchen in Gefahr und er müsse sie schützen. Meine Nini und mein Vater wären sicher noch viel mehr erschrocken, hätte ich ihnen nicht erzählt, dass Arana in Ordnung ist und mich immer gut behandelt hat.
    Meine Großmutter fragte nach, wie er auf mich gekommen sei, und Arana erzählte es ihr bereitwillig und offenbar stolz auf seine Spürnase, wie sie in ihrer Mail an Manuel schreibt. Dabei hatte er einfach nur im Police Department die Liste

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