Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
alle beide mit einem großen Becher süßen, cremigen Kaffees mit Kondensmilch. Regen, Wind, das Kratzen der Zweige am Fenster, Knistern im Ofen, das Schnurren der Katzen, das ist jetzt meineMusik. Das Haus schloss sich wie in einer Umarmung um uns und die Tiere.
Der Morgen graute, als ich mit Brandon Leeman von meiner ersten Runde zu den Casinos am Strip zurückkehrte. Ich hätte stehend einschlafen können, musste aber noch für ein Foto posieren, das für meine neue Identität benötigt wurde. Leeman wird geahnt haben, dass ich nicht Sarah Laredo hieß, aber mein wirklicher Name war ihm gleichgültig. Schließlich konnte ich in mein Zimmer gehen und warf mich auf das unbezogene Bett, ließ Kleider und Schuhe an, weil die Matratze mich ekelte, die aussah, als wäre sie schon von einigen Leuten mit fragwürdigen Hygienevorstellungen benutzt worden. Erst gegen zehn wurde ich wieder wach. Das Bad war genauso widerlich wie die Matratze, aber ich duschte trotzdem bibbernd, denn es kam kein warmes Wasser, und aus der Klimaanlage blies ein sibirischer Wind. Ich zog meine Sachen vom Vortag wieder an, dachte noch, ich müsste unbedingt irgendwo die wenigen Klamotten waschen, die ich im Rucksack hatte, und kletterte durch das Loch in die Nachbarwohnung, das »Büro«, in dem niemand zu sehen war. Die Wohnung lag im Dunkeln, durch die Ritzen der vernagelten Fenster fiel so gut wie kein Licht, aber dann ertastete ich einen Schalter für die Glühbirnen an der Decke. Im Kühlschrank fand ich nur kleine, mit Klebestreifen verschlossene Päckchen, eine halb leere Ketchupflasche und mehrere Joghurts mit grünlichem Pelz. Ich besah mir die übrigen Zimmer, alle schmutziger als die Wohnung nebenan, traute mich nicht, etwas anzufassen, entdeckte leere Flaschen, Spritzen, Nadeln, Gummis, Pfeifen, rußgeschwärzte Glaskolben, Spuren von Blut. Jetzt begriff ich, wofür die Bunsenbrenner in der Küche benutzt wurden, ich war in einem Unterschlupf von Junkies und Dealern gelandet. Das Vernünftigste war, ich sah zu, dass ich wegkam.
Die Metalltür war nicht abgeschlossen, und im Flur traf ich niemanden; ich war allein auf dem Stockwerk, konnte aber nicht raus, weil das elektronisch gesicherte Gitter an der Treppe verriegelt war. Ich ging zurück und stellte die Wohnung auf den Kopf, fluchte vor Aufregung, fand weder die Fernbedienung für das Gitter noch ein Telefon, um Hilfe zu rufen. In meiner Verzweiflung zerrte ich an den Brettern vor einem der Fenster, versuchte mich zu erinnern, in welchem Stock ich mich befand, aber die Nägel saßen fest, und ich bekam keinen einzigen raus. Ich war drauf und dran zu schreien, da hörte ich Stimmen, dann das Quietschen der Gittertür im Treppenhaus, und im nächsten Moment traten Brandon Leeman, seine beiden Partner und der kleine Freddy ins Zimmer. »Magst du chinesisches Essen?«, fragte Leeman zur Begrüßung. In meiner Panik brachte ich kein Wort heraus, aber nur Freddy fiel auf, wie sehr ich durch den Wind war. »Ich kann es auch nicht leiden, wenn man mich einsperrt«, sagte er und zwinkerte mir aufmunternd zu. Brandon Leeman erklärte mir, das sei eine Vorsichtsmaßnahme, in seiner Abwesenheit dürfe niemand in die Wohnung, aber wenn ich bliebe, bekäme ich meinen eigenen elektronischen Schlüssel.
Die beiden Leibwächter oder »Partner«, wie sie genannt werden wollten, und der Junge setzten sich vor den Fernseher und aßen mit Stäbchen direkt aus den Pappschachteln, während Brandon Leeman in einem der Zimmer die Tür hinter sich zuzog, dort eine geraume Weile jemanden über sein Handy anbrüllte, dann meinte, er lege sich jetzt aufs Ohr, und durch das Loch in die Nachbarwohnung verschwand. Wenig später gingen Joe Martin und der Chinese, ich blieb mit Freddy allein, und wir verbrachten die heißen Mittagsstunden mit Fernsehen und Kartenspielen. Freddy zeigte mir eine eins a Michael-Jackson-Performance, er war ein großer Fan.
Gegen fünf tauchte Brandon Leeman wieder auf, undwenig später brachte der Chinese den Führerschein einer gewissen Laura Barron, zweiundzwanzig Jahre, aus Arizona, mit meinem Foto.
»Benutz den, solange du hier bist«, sagte Leeman.
»Wer ist das?« Ich besah mir das Kärtchen.
»Ab jetzt bist du Laura Barron.«
»Okay, aber ich kann nur bis August in Las Vegas bleiben.«
»Das weiß ich doch. Du wirst es nicht bereuen, Laura, das ist ein guter Job. Allerdings darf keiner wissen, dass du hier bist, weder deine Familie noch deine Freunde. Haben wir uns
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