mayday mayday ... eastern wings 610
steig' aus diesen dämlichen Risikospielchen aus. Ich mach' nicht mehr mit! Ich mein' das ernst.«
Er warf einen kurzen Blick zu McCore, der steif wie ein Holzklotz mit verlegenem, unbehaglichem Gesichtsausdruck neben ihm stand.
»Diesmal ist alles anders, Charles. Soll ich Ihnen sagen, warum? Diesmal sind meine Kinder an Bord!«
Er spürte, wie ihm seine Stimme zu entgleiten drohte, hoch war sie, zitternd und hoch. »Jawohl! An Bord dieser Scheiß-DC-10 sind meine Kinder! Und die Abflugzeit ist zehn Uhr zwanzig.«
Er sah auf seine Uhr: Zehn Uhr fünfzehn.
Noch fünf Minuten …
»Sie werden nicht fliegen!« schrie er. »Ich werde das stoppen.«
Im Cockpit der DC-10, NB 37 CW, Eastern-Wings-Flug 610, Miami-Sioux City, steckte Flugkapitän Tom Walker den Verladeplan weg, den er gerade noch einmal studiert hatte. Die NB 37 CW schleppte in ihrem großen Frachtraum nicht nur das Passagiergepäck mit, sondern auch zwei Werkzeugmaschinen von jeweils neun Tonnen Gewicht. Doch da bei einem Flug nach Sioux City die Tankkapazität von einhundertsechzigtausend Liter nicht gebraucht wurde und auch von den dreihundertfünfzig Passagiersitzen nur zweihundertacht besetzt waren, bildeten die Maschinen wirklich kein Problem, vorausgesetzt, sie lagen in Schwerpunktnähe, waren also an den richtigen Stellen untergebracht, so daß die Maschine, sowohl was Hebel- und Schwerpunkt anging, ausbalanciert und stabil in der Luft liegen konnte. Doch Walker hatte dieses Problem noch kurz mit Elliot Bakers, dem zuständigen Mann der Verladeabteilung, durchgesprochen. Er kannte Elliot noch aus seiner Zeit bei den United Airlines. Und Elliot war ein As. Kein Problem also.
Er sah Frank an, den Copiloten, und hob leicht die Hand: Achtung, hieß das. Dann lauschte er wieder den Anweisungen im Kopfhörer, die von der Bodenkontrolle kamen.
Nun streckte er den Daumen hoch. Das APU-Aggregat, das die DC-10 während des Anlassens mit Strom versorgte, verstärkte sein Summen: Triebwerk eins lief hoch. Heller regelte die Standleistung. Jetzt die Nummer zwei, das Triebwerk am Heck, das im Seitenleitwerk angebracht war, und schließlich die Nummer drei …
Hinter dem Copiloten beobachtete Flugingenieur Hal Terney die Betriebsanzeigen. Alles in bester Ordnung. Na also. Gestern noch, nachdem die Walcott-Mechaniker fertig geworden waren, hatten sie über Miami und dem Atlantik ihre Test- und Abnahmekurven gedreht.
Er widmete sich erneut der Frischluftabstimmung für die Passagierkabine. Bei den neuen Flugzeugen war dies nur noch ein letztes Ausjustieren. Die Vorarbeit leistete der Rechner. Bei der DC-10 hier wurde allerdings noch hübsch mit der Hand am Rädelknopf gemischt. Gute alte Tante … Mehr als zwanzig Jahre alt. Die Flugstundenzahl kannte Terney nicht, aber es dürften wohl an die fünfzigtausend sein. Wie immer, wenn er sich in einem solchen Cockpit umsah, fühlte er das gleiche rein emotionelle Wohlbehagen – die Auslegung der Instrumentenanzeigen, die Hebel, die Knöpfe – Stallgeruch!
Hal Terney war der Senior der Crew, und seine Vorliebe für Flugzeuge älteren Baumusters wie beispielsweise die DC-10 hatte einen ebenso überzeugenden wie einfachen Grund: seine Arbeitsstelle, der Job des Flugingenieurs, war bei den hochelektronisierten Nachfolgemodellen der nächsten Generation wegrationalisiert worden. Dort gab's nur noch Zweiercockpits.
Ihn traf es nicht. Noch ein Jahr, dann war er sechzig und würde ausscheiden. Tom Walker wiederum, den Hal noch aus gemeinsamen Zeiten bei der PanAm kannte, hatte noch acht Jahre vor sich. Hal Terney zweifelte, ob Tom sie bei einem Saftladen wie der Eastern Wings verbringen würde. Dazu hatte Tom als Pilot einfach einen zu guten Ruf. Schließlich hatte er jahrelang bei der ›United‹ als Instrukteur gearbeitet. Auf der anderen Seite – Tom mit seiner Farmersohn-Anhänglichkeit an Iowa? Daß eine große Gesellschaft sich ausgerechnet Sioux City zum Sitz wählen würde, war nun wirklich nicht zu erwarten. Aber dies blieb der einzige Punkt, wo Hal Terney für seinen Freund Tom Walker Probleme sah.
Lidell hatte sich hinter seinem Schreibtisch hochgeschoben. Das Kinn kantig, die Stimme eiskalt: »Ich habe eine Menge Geduld, Rosario. Jetzt reicht's. Und es reicht für lange. Raus! Und wagen Sie nicht, das sag' ich Ihnen in Ihrem eigenen Interesse, wagen Sie es bloß nicht, irgendeinen Blödsinn abzuziehen.«
Chef/Abhängiger, Herr/Hund, das alte Rollenspiel. Antonio hatte es zu lange verinnerlicht.
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