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mayday mayday ... eastern wings 610

mayday mayday ... eastern wings 610

Titel: mayday mayday ... eastern wings 610 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verstand, die Kontrolle über die Gefühle auszuüben, und sie erkannte wohl, was eine Pilotenehe in Wirklichkeit bedeutet, und daß es wenige Frauen gibt, die einer solchen Anforderung gewachsen sind.
    Barbara war Zeitungsfotografin, ebenfalls ein gnadenloser Job, und so war Christa wohl zwischen die Mühlsteine geraten, hatte sich in einer Welt zu behaupten, in der Zuwendung schon aus Zeitmangel knapp ausfiel. Vielleicht war es das, was sie schließlich Anja lieben ließ: Anjas Geduld, ihre Art, Spannungen und Mädchenkummer aufzulösen, die Tatsache, daß es einen Menschen gab, an den man sich wenden konnte. Kurz vor Beginn der Abiturklasse war Christa bei ihrer Mutter ausgezogen. Eine Wohngemeinschaft von Medizinstudentinnen hatte sie aufgenommen. Nein, heimatlos war sie nicht. Wann immer es ging, kam sie hierher ins Haus und gluckte mit Anja zusammen.
    Sie war erwachsen geworden – das hatte er sich eingeredet.
    Welche Idiotie! Er dachte es, als er ihren schmalen Körper fühlte, der zitterte.
    »Nun geh schon … Ich zieh' mich an, Christa. Dann bin ich bei dir.«
    Als er in die Küche kam, saß sie am Tisch. Sie hatte den Kopf in beide Hände vergraben.
    »Trinkst du keinen Kaffee?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was zu essen?«
    »Wie kannst du so was fragen?« Sie warf den Kopf zurück. »Wie kannst du überhaupt so sein?«
    Er gab keine Antwort. Er wußte ja, was sie meinte. Er machte sinnlos Schubladen auf und zu auf der Suche nach einer von Anjas Zigarettenpackungen. Sie hatte sie überall verteilt, und er hatte sich darüber aufgeregt. Vier Jahre hatte er nicht geraucht. Wenn er jetzt etwas brauchte, war es eine Zigarette. Er hatte Glück. Er fand ein Päckchen und zündete sich eine an.
    Durch den Rauch erkannte er, daß ihre Augen spiegelten. Eine Träne löste sich und floß über ihre linke Wange herab.
    »Du tust, als würde dir alles gar nichts ausmachen. Ganz cool, nicht? Wie immer.«
    »Christa, was kann ich dazu sagen?«
    »Eine Menge.« Ihre Stimme zitterte. Sie stand auf, ging zum Fenster, drehte sich herum und starrte ihn an. Nie hatte er ihr Gesicht so gesehen: so voller Abneigung, voller Haß – nein Verachtung. »Vielleicht könntest du erklären, wie du damit fertig wirst, daß du Anja in den Tod getrieben hast.«
    Er schwieg. Es war ein Schock, ja, doch er wußte, was sie meinte. Und mehr noch: Es war die Frage, mit der er sich beschäftigt hatte, seit er im Birdsbone, an der texanischen Tankstelle, von dem Unglück erfahren hatte. Es war die Frage, die zu seinem Lebensproblem werden würde. Er wußte es, als er unter dem Trommeln seines Herzens in die Augen seiner Tochter blickte. Er nahm noch einen Zug aus seiner Zigarette und drückte sie aus.
    »Tut mir leid, Paul«, hörte er sie, »aber ich muß es sagen: Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich muß doch … es ist ja die Wahrheit, tut mir leid.«
    Die Wahrheit? dachte er. Mein Gott, die Wahrheit …
    »Ich kann nicht weiterleben, wenn ich es dir nicht sage. Du hast Schuld. An allem! Zuerst hast du mich alleingelassen. Barbara hat sich völlig verändert, seit ihr auseinander seid. Das weißt du. Sie hat nichts anderes im Kopf als ihre Karriere. Nicht weil sie so ist, o nein, sie war einmal ganz anders. Erinnerst du dich, wie wir damals immer an den Baggersee fuhren, wenn du von einem Flug zurückgekommen bist? Und was für tolle Kindergeburtstage sie für mich organisiert hat? Und wie glücklich sie war? Und dann, dann kam Anja –«
    »Hör auf!«
    »Das würde dir so passen, ja? Aber ich hör' nicht auf. Ich kann nicht. Dann kam Anja. Und wenn du eines zugeben mußt …«
    »Hör auf!« Er fühlte sein Herz. Er fühlte die Schwäche in die Beine zurückkriechen. Er setzte sich: der Stuhl, die Anklagebank, ihre Augen – Anklägeraugen.
    »Eines zumindest mußt selbst du zugeben: Niemand hat mehr Verständnis für andere aufgebracht als Anja. Und was bekam sie dafür? Was hat sie von dir bekommen? Sag's doch!«
    »Ich habe sie geliebt …« Dachte er es? Sagte er es? Es war so sinnlos, dieser Satz.
    »Geliebt, geliebt«, wiederholte seine Tochter. »Welche Form von Liebe hat sie bei dir gefunden?«
    »Ich wollte sie heiraten, wenn du das meinst.«
    »Genau das meine ich nicht.« Ihre Stimme wurde hell und schneidend. »Ich rede vom Verstehen, nicht vom Heiraten. Welche Ehe hättest du ihr angeboten? Sie wollte ein Kind. Und du weißt auch, warum. Sie hatte es selbst so schwer gehabt. Sie wollte dieses Kind, und es war

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