mayday mayday ... eastern wings 610
musterte Brückner verstohlen die Aktenschränke.
Falls Bruno Konietzka recht hatte, war er nun am Ziel, stand in der Höhle des Löwen. Na schön, auch wenn er sich den ›Löwen‹ anders vorgestellt hatte, einen smarten, mit allen Wassern gewaschenen Geschäftsmann zum Beispiel, was änderte es?
»Nehmen Sie doch bitte Platz.«
»Danke.«
Auf dem Schreibtisch standen Bilder einer Familie. Eine Frau, vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen. Was noch fehlte, war die amerikanische Flagge hinter dem Stuhl, denn Lidell wirkte wie der leibliche Vetter des FAA-Mannes in der Flagler Street. Und daß dieser Eindruck durchaus zutraf, bewies er schon in der Eröffnung des Gesprächs: »Ach ja, wissen Sie, ich war ja früher Departement-Chef bei der FAA. Da hatten wir ziemlich viel mit Ihrer Airline zu tun. Bernartz zum Beispiel. Er war in der Maintenance Bremen. In der FAA haben wir oft genug mit Bernartz zusammengesessen. Gibt's ihn noch?«
Brückner konnte es nicht sagen. Lidell legte mißtrauisch den Kopf schief. Die Luft schien ohnehin raus. Aber er lächelte unentwegt weiter. Die Augen hinter der Brille hatten die silbergraue Farbe von Fischschuppen und waren ebenso kalt, prüfend und abweisend. Immerhin, den Lufthansa-Vertreter hatte er ihm abgenommen. Dies blieb vorerst die einzige Schiene, auf der er vorankommen konnte.
»Mr. Lidell, Sie vertreten auch die Firma Global Wings, nicht wahr?«
Seine Augen blieben ruhig wie zuvor. Auch das Gesicht war ruhig und glatt. Nur um den linken Mundwinkel zeigte sich ein unmerkliches, winziges Gewitter von Nervosität. Doch vielleicht hatte er sich auch getäuscht …
»Global Wings? Können Sie mir das vielleicht näher erklären. Ich kenne keine Firma Global Wings. Beziehen Sie sich auf eine Zusammenarbeit?«
»Nein, ich beziehe mich auf eine Firma Global Wings mit Ihrer Adresse.«
»Mit unserer Adresse? Wie kann ich das denn verstehen?«
»Genauso wie ich es ausgedrückt habe, Mr. Lidell. Um es doch etwas näher zu erklären: Sehen Sie, unsere Firma bekam ein Angebot von Global Wings. Ich bin kein Techniker, man hat mich nur gebeten, einen ersten Kontakt aufzunehmen. Es handelt sich um Relais-Schaltungen für die 747. Und zwar im Bereich des INS-Systems. Ich habe die Codenummern dabei. Jedenfalls die Konditionen schienen sehr günstig zu sein, so daß man mich gebeten hat …«
»Relais-Schaltungen?« sagte er. »An die Lufthansa?«
»Warum denn nicht? Wie ich gesehen habe, sind Sie ein von der FAA lizenzierter Zwischenhändler. Da ist das durchaus üblich.«
»Aber natürlich, Mr. Brückner. Natürlich ist das üblich. Wir arbeiten mit vielen Werften zusammen. Worldwide, wie ich sagen kann. Aber Global Wings?«
Eine Pause entstand. Etwas hatte sich zwischen ihnen geändert. Die Art, wie er die Brille abnahm, ihn kurz ansah, sie wieder aufsetzte. Nun wischte er sich mit dem Handrücken über die Stirn, brachte eine unsichtbare Haarsträhne in irgendeine unsichtbare Ordnung. »Tut mir leid.«
Er lächelte wieder. Das ›Tut mir leid‹ war nichts als ein Flüstern. Dann, ganz plötzlich, schob er sich hinter seinem Schreibtisch hervor, lächelte noch einmal und gab Brückner die Hand. »Meine Zeit ist heute sehr begrenzt, Mr. Brückner. Außerdem, wir hatten ja keinen Termin, nicht wahr? Ich komme gerade aus Toronto zurück und habe noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Wenn Sie also gestatten …«
Brückner nickte.
»Sie können mir ja Ihre hiesige Telefonnummer hinterlassen. Meine Sekretärin wird Sie dann anrufen.«
Brückner tat ihm den Gefallen.
An der Tür machte Lidell noch einmal den Mund auf: »Falls Sie irgendwelche anderen Beschaffungsprobleme haben sollten, Mr. Brückner, Sie wissen …«
Brückner zog die Tür hinter sich zu. Er wußte nichts. Doch, etwas vielleicht: Er hatte diesen Fischtyp dort drin in ziemliche Nervosität versetzt. Und was der ihm dafür geboten hatte, war ein Rausschmiß dritter Klasse.
Es war das Büro von zuvor. Mit dem einen Unterschied, daß das hübsche Mädchen mit dem Stoßstangenproblem verschwunden war. Das Büro hatte inzwischen ein neues Mitglied: einen jungen Mann, Typ Beachsurfer oder Bodybuilder. Er trug ein blaues Polohemd über den Muskelwülsten und hielt den kantigen Kopf mit dem militärisch kurz getrimmten Haar vor sein Computer-Terminal. Er drehte sich um, sah hoch, zog die Brauen zusammen und hämmerte weiter. Die nette Dicke mit der Afrofrisur stand auf und begleitete ihn zur Tür.
»Auf
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