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mayday mayday ... eastern wings 610

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Titel: mayday mayday ... eastern wings 610 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie würde, nachdem sie Antonio vor sechs Wochen aus der Wohnung geschmissen hatte, die Miete ohnehin nicht länger zahlen. In einer Woche würde sie in Sioux City sein. Mit jeder Menge Grün vor den Augen, wie ihr Vater geschrieben hatte. Sie und die Zwillinge würden nach dem ganzen Miami-Wahnsinn leben wie im Paradies.
    Im Augenblick allerdings hatte sie Probleme.
    »Wo soll denn die Truhe hin?« fragte Carl. Carl war Marie Lous Bruder. Ihre Gesichter ähnelten sich, nur daß bei Carl das Fleisch vernünftig in einem athletisch trainierten Körper verteilt war. Der Gemüse-LKW, den er besorgt hatte, parkte vor der Haustür. Anna Maria, Mercedes' Mutter, hatte sich bereit erklärt, die Zwillinge für die nächsten Tage bei sich zu behalten. Carl spielte den Chauffeur für die Endlosstrecke rauf nach Omaha, und Marie Lou war bereit, alles zu tun, damit sie wegkam.
    Nur das mit der Truhe schluckte sie nicht.
    »Wieso, verdammt noch mal? Das Ding ist hübsch. Und wenn du's schon nicht mitnimmst, verkauf's wenigstens! Oder schenk es mir!«
    »Er hing sehr an der Truhe.«
    »Und an seinem alten Baseballhandschuh natürlich auch. Statt Antonio was hierzulassen, solltest du ihm die Eier abschneiden. Die Kinder im Stich lassen und sich zu seiner verdammten Tunte verziehen – mein Gott, wie konntest du nur auf so was reinfallen?«
    Die alte Frage.
    »Die Truhe bleibt hier. Und der Baseballhandschuh auch.«
    »Soll er sie sich in den Arsch schieben!« schrie Marie Lou.
    »Bei der Truhe hat er da aber Schwierigkeiten«, kicherte Carl.
    »Noch so 'n Schwein.« Marie Lou schüttelte empört den Kopf. »Männer … Scheiß-Machos.«
    Mercedes wiederum legte still den Handschuh in die Truhe. Mercedes war Kubanerin und Marias Kusine zweiten Grades. Marie Lou mochte die beste Freundin der Welt sein, sie blieb nun mal Amerikanerin. Eine schwarze dazu. Was wußte sie, wie das damals war, als man den ersten Job hatte, sich seine ersten Träume erfüllte, und sei es nur ein Baseballhandschuh oder eine alte, kleine, bemalte Truhe vom Trödelmarkt. Niemand, dachte Maria, niemand, der's nicht mitgemacht hat, kann das nachfühlen. Zuerst der freie Fall! Dann der Aufschlag. Ob auf purem Beton oder im Wasser, du wußtest es ja nicht. Dann aber das Wunder der ersten Dollars … Und was waren die schon anderes, als der Schlüssel zur Glitzerwelt des Selbstbedienungsladens USA?
    Vorbei! Und zwar gründlich. Vorbei!
    »Weißt du, Marie Lou«, sagte sie und beschäftigte sich weiterhin mit dem Packen, »so ein mieser Kerl, wie du sagst, ist Antonio nun auch wieder nicht.«
    »Nein? Sind ja völlig neue Töne. Wenn's dich interessiert, für mich ist das ein Schwein ohne jede Moral.«
    »Ach, Moral? Hör zu! Es kommt nicht darauf an, ›Moral‹ zu haben. Es kommt darauf an, daß man ein bißchen das Kreuz durchstreckt. Das ist so die Sorte von Moral, von der mein Vater immer sprach. Weißt du, was der sagt? Ich brauche Moral aus Bequemlichkeit. Ich muß mich ja schließlich jeden Morgen im Spiegel sehen. Das meine ich.«
    Marie Lou nickte. »Und was ist dann mit Antonio?«
    Sie schwieg. Sie hatte es für sich entschieden: Antonio interessierte sie nicht länger. Nur etwas interessierte sie noch: reinen Tisch zu machen. Mit ihm. Und mit Lidell. Und dies, ehe sie aus Miami verschwand. Antonio mußte wissen, warum sie es tat. Und was Lidell anging – auch das gehörte zum Antonio-Problem. Vielleicht hätte sie die Kraft zu einer konsequenten Trennung gar nicht gefunden, wenn sich Antonio zu allem nicht auch noch in Lidells Schweinereien verwickeln lassen hätte. Und es waren mehr als Schweinereien! Der ganze Lidell-Laden war nichts als eine mörderisch gemeine, betrügerische, tödliche Geldmaschine.
    Und Antonio spielte mit. Natürlich war im Grunde Lidell schuld. Und wenn es irgendwie ging, würde sie deshalb, ehe sie hier wegkam, dafür sorgen, daß er den Schlag in die Kniekehlen bekam, den er längst verdient hatte.
    Es gab nur zwei Straßen, die die Everglades durchquerten und Miami mit seinem Hinterland verbanden. Maria nahm den Tamiami Drive. Geschafft! Ihre Kisten lagen säuberlich verpackt in Carls Lkw, die Kinder waren bei Mercedes' Mutter untergebracht, sie selbst konnte bei Marie Lou schlafen. Ab morgen würde sie sich um das Flugticket kümmern – genügend Verbindungen hatte sie ja, um ein billiges zu ergattern. Jetzt gab es nur noch eines zu erledigen … Und dabei würde sie hübsch der Reihe nach vorgehen. Zuerst also

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