Mayday
andere Waffen zusammen. Vielleicht brauchen wir sie noch. Linda, du bleibst im Salon und kümmerst dich um diese Leute – besonders um den Kopiloten dort drüben. Verstanden?«
»Wird gemacht«, versprach sie ihm tapfer.
»Falls jemand … sich komisch benimmt, kommst du zu mir. Ich bin im Cockpit. Okay? Linda? Harold?«
Stein nickte widerstrebend. Er glaubte halb, daß seine Angehörigen sich wieder erholen würden, und war fast davon überzeugt, daß Berry die Maschine fliegen konnte. »Ich hole meine Familie hier herauf. Ich möchte sie in meiner Nähe haben. Sie erholt sich bestimmt bald, wie Sie gesagt haben.«
Berry schüttelte den Kopf. »Sie ist vorläufig gut aufgehoben, wo sie im Augenblick sitzt. Vielleicht können wir sie später raufholen.«
»Aber …«
»Darüber können wir später reden. Gehen Sie jetzt bitte. Ich muß mich um andere Dinge im Cockpit kümmern.«
Stein warf einen Blick ins leere Cockpit. »Die Funkgeräte? Wollen Sie versuchen, mit …?«
»Ja. Gehen Sie bitte nach unten. Das Cockpit können Sie mir überlassen.«
Harold Stein erhob sich langsam und wickelte sich den Ledergürtel um die rechte Hand. »Glauben Sie, daß sie sehr … gefährlich sind?«
Berry sah sich im Salon um. »Nicht gefährlicher als diese Leute hier.« Er machte eine Pause. So unvorbereitet durfte er Stein nicht nach unten gehen lassen. »Nehmen Sie sich trotzdem in acht, Harold. Die Reaktionen auf den Sauerstoffmangel sind unterschiedlich … Seien Sie also vorsichtig! Und noch etwas: Zu jeder Stewardessenstation gehört ein Bordtelefon. Von dort aus müßten Sie mit mir sprechen können.«
»Okay.«
John Berry wandte sich ruckartig ab und ging ins Cockpit zurück.
Stein beobachtete, wie er sich auf den Platz des Captains setzte. Er sah zu Linda hinüber, rang sich ein Lächeln ab und stieg langsam die Treppe hinunter.
Berry hatte das Bedürfnis, den Autopiloten abzuschalten und das Steuer selbst zu übernehmen. Nur ein paar Sekunden lang, um ein Gefühl für die riesige Maschine zu bekommen. Um sein Schicksal selbst in die Hände zu nehmen. Er starrte den Schalter am Steuerhorn an und streckte die Hand danach aus. Wahrscheinlich konnte er das große Flugzeug sogar steuern. Aber er war sich darüber im klaren, daß er es nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte, falls er dabei einen Fehler machte. Andererseits wußte er, daß er die Maschine würde fliegen müssen, sobald der Treibstoffvorrat zur Neige ging. Dann hatten sie nichts mehr zu verlieren, wenn er notzuwassern versuchte. Warum sollte er das nicht vorher üben? Seine Finger berührten den Schalter. Nein! Später. Er nahm die Hand vom Steuerhorn.
Er dachte an die bevorstehende Notwasserung. Wahrscheinlich war es besser, nach Süden zurückzufliegen, bevor sie die wärmeren Gewässer des mittleren Pazifiks verließen. Berry suchte die Konsole zwischen den Pilotensitzen ab und entdeckte den schwarzen Kurvenkontrollknopf des Autopiloten. Er legte die Hand darauf, holte tief Luft und drehte den Knopf eineinhalb Zentimeter nach rechts.
Die rechte Tragfläche der Straton 797 sank langsam nach unten; gleichzeitig hob sich die linke, und das Flugzeug flog eine weite Kurve. Berry spürte ein vertrautes Gefühl im Hosenboden. Bei dieser Wendegeschwindigkeit würde es lange dauern, bis die Maschine sich auf Gegenkurs befand, aber Berry wollte in Wirklichkeit noch nicht umkehren. Er mußte sich erst einen Plan zurechtlegen. Ein Blick auf die Treibstoffanzeige bewies ihm, daß er noch viel Zeit hatte. Das Wasser unter ihnen war bestimmt warm genug für eine Notwasserung und würde noch länger warm bleiben.
Berry wußte jetzt, daß der Autopilot Kurven mit jeder gewünschten Wendegeschwindigkeit fliegen würde. Mehr wollte er vorläufig nicht ausprobieren. Er drehte den Knopf in die Mittelstellung zurück und merkte, daß die Straton 797 wieder in den Geradeausflug überging. Der Kompaß zeigte, daß der Steuerkurs jetzt 330 Grad betrug. Berry drehte den Knopf nach links, ging wieder auf 325 Grad und ließ die Maschine auf dem bisherigen Kurs weiterfliegen.
Er lehnte sich zurück. Seine Hände zitterten, und sein Herz schlug bis zum Hals. Er brauchte eine halbe Minute, um sich einigermaßen zu beruhigen.
Er überlegte, ob er es nochmals mit den Funkgeräten versuchen sollte. Aber sie würden doch nicht funktionieren. Außerdem wäre ein weiterer Mißerfolg psychologisch ungünstig gewesen, und Berry wollte nicht erst von ihnen abhängig werden.
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