Mayday
»Admiral?«
Randolf Hennings starrte ihn an. Wenn Sloan ihm nicht so unsympathisch gewesen wäre …, wenn dieser Vorschlag von einem charakterfesten Offizier gekommen wäre, hätte er leichter zustimmen können. Hennings räusperte sich. »Lassen Sie mir noch zehn Minuten Zeit.«
»Fünf.«
»Sieben.«
Sloan stellte die Countdown-Uhr auf sieben Minuten ein. Er ließ sie laufen.
Hennings nickte. Commander Sloan vergeudete weder Zeit noch Worte. »Wissen Sie bestimmt, daß Matos …?«
»Das stellt sich bald heraus. Aber ich würde mich wundern, wenn er nicht selbst zu der gleichen Schlußfolgerung gekommen wäre. Ich kenne Matos besser als er sich selbst kennt, obwohl ich bisher kaum mit ihm gesprochen habe. Matos hat den Ehrgeiz, zum Team zu gehören.« Er setzte sich und griff nach einem Notizblock. »Ich möchte, daß Sie mir helfen, den Befehl an ihn zu formulieren. Was wir sagen – und wie wir’s sagen –, kann entscheidend sein.«
»Wenn Sie mich überzeugt haben, Commander, können Sie bestimmt auch den bedauernswerten Piloten überzeugen. In dieser Beziehung brauchen Sie keine Unterstützung von mir.« Hennings kehrte Sloan den Rücken zu und öffnete den schwarzen Vorhang vor dem Bullauge. Er starrte aufs Meer hinaus und fragte sich, womit er es verdient hatte, so spät im Leben eine derartige Entscheidung treffen zu müssen. Die guten Jahre, die ehrlichen Jahre schienen nicht zu zählen, wenn man sie gegen diese Sache aufrechnete. Hennings dachte an die Straton. Wie viele Menschen waren an Bord? Dreihundert? Sie waren bestimmt schon tot. Aber nun würden ihre Angehörigen niemals erfahren, wo und wie sie den Tod gefunden hatten. Randolf Hennings hatte sie in ihr nasses Grab geschickt. Sie würden im Ozean liegen, wo so viele seiner Freunde lagen und wo er selbst zu liegen sich wünschte.
Jerry Brewster stand mit den Händen in den Hosentaschen in der kleinen Nachrichtenzentrale von Trans-United Operations und wartete darauf, daß die 500-Millibar-Karte mit dem Pazifikwetter ausgedruckt wurde. Die Arbeit in diesem Raum war der einzige Aspekt seiner Tätigkeit als Dispatcherassistent, der ihm nicht gefiel. Das Licht war zu grell, die Maschinen arbeiteten zu laut, und es roch hier unangenehm nach Chemikalien.
Die neue Karte war fertig. Brewster mußte noch warten, bis sie trocken war, bevor er sie aus der Maschine ziehen konnte. Jack Ferro hatte den neuesten Stand der Temperaturverteilung in mittleren Höhen verlangt, und Brewster wollte ihm die Angaben noch vor dem Mittagessen auf den Schreibtisch legen. Für Ferro gab Brewster sich alle Mühe: Er fand ihn nett, und der ältere Dispatcher war jederzeit bereit, ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Brewster zog die frische Karte von der Walze, hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger fest und ging mit ihr zur Tür. Hinter ihm ertönte ein Klingelzeichen, das sich auffällig von den Arbeitsgeräuschen der anderen Maschinen abhob. Brewster blieb stehen. Das war das Achtungssignal des Data-Links gewesen. Er horchte. Das Gerät hatte die Nachricht bereits geschrieben. Offenbar handelte es sich um eine sehr kurze Nachricht – nur ein paar Buchstaben oder Zahlen –, und Brewster wußte, was das bedeutete. Wieder eine Panne. Wieder nur Unsinn – vermutlich Teile einer längeren Meldung. Er wartete darauf, daß der Fernschreiber weiterklappern würde.
Nachdem die Trans-United ein Vermögen dafür ausgegeben hatte, um alle ihre Maschinen mit Data-Link-Geräten ausrüsten zu lassen, litt das System unter Kinderkrankheiten, die als »technische Schwierigkeiten« bezeichnet wurden. Brewster hätte dafür einen drastischeren Ausdruck benützt. Das Data-Link druckte verstümmelte Texte. Buchstaben oder ganze Sätze wurden endlos lange wiederholt. Zahlenkolonnen standen schräg oder auf dem Kopf. Das war beinahe komisch, wenn sie nicht dauernd den Wartungsdienst hätten anrufen müssen, damit er das verdammte Gerät reparierte. Zum Glück wurde es nur für Routinemeldungen benützt, so daß die meisten hier Beschäftigten es ignorierten. Auch Jerry Brewster ignorierte es zunächst.
Er ging zur Tür. Der Chemikaliengeruch in dem kleinen Raum reizte seine Schleimhäute und ließ seine Augen tränen. Brewster hatte es eilig, wieder ins Dispatcherbüro hinauszukommen. Er öffnete die Tür und zögerte dann. Das Data-Link gehörte zu seinen Zuständigkeiten. Okay, verdammt noch mal. Er warf die Tür ins Schloß, trat an das Gerät und las die
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