Mayday
Sonntagsflieger am Steuer und dreihundert toten oder verletzten Passagieren an Bord nach Kalifornien zurückfliegt. Weshalb das vorerst nicht bekannt werden soll, brauche ich wohl nicht eigens zu erklären.« Er sah sich um. »Kapiert?«
Die Dispatcher murmelten zustimmend.
»Okay, dann sorgt dafür, daß das auch draußen bekannt wird. Zurück an die Arbeit!«
Die Männer verließen rasch den heißen, schlecht belüfteten Raum.
Evans blieb etwas hinter den anderen zurück. »Mr. Johnson, falls ich noch etwas …«
»Sie haben schon genug getan, Evans. Sie haben Eigeninitiative bewiesen.«
Evans lächelte. »Danke, Sir.«
»Und wenn Sie sich mal wieder nicht an die Vorschriften halten, bin ich hoffentlich wieder damit zufrieden, Evans, sonst fliegen Sie raus. Verstanden?«
Evans’ Lächeln verschwand. »Ja, Sir.« Er ging rasch hinaus.
Johnson wandte sich an Ferro. »Na, dann wollen wir mal, alter Junge.«
Ferro nickte schweigend. Johnson und er kannten sich seit vielen Jahren. Da sie jetzt keine Zuschauer mehr hatten, konnte Johnson aufhören, seine Rolle zu spielen. Als ob Johnson dieseÜberlegung bestätigen wollte, ließ er seine Zigarre fallen und trat sie auf dem PVC-Bodenbelag aus. Ferro glaubte zu wissen, daß der andere gar keine Zigarren mochte, aber Warenzeichen wie der Trans-United Schriftzug und Edward Johnsons Zigarren mußten zu mühsam aufgebaut werden, als daß man einfach auf sie verzichten konnte.
Johnson warf einen Blick auf die zusammengefaltete Papierschlange in seiner Hand. »Eine miese Sache, Jack.«
»Das kann man wohl sagen!«
»Eine Bombe! Warum, zum Teufel, wollen Leute ein Flugzeug in die Luft jagen? Scheiße.« Er ging unruhig auf und ab. »Hören Sie, Jack, glauben Sie, daß diese Leute eine Chance haben?«
Ferro sah zu dem Bildschirm auf, bevor er Johnsons Blick erwiderte. »Anfangs habe ich ihnen keine Chance zugebilligt. Aber jetzt … vielleicht. Der Pilot – dieser Berry – hat sich bisher gut gehalten. Er hat sich nicht unterkriegen lassen, sondern hat das Steuer übernommen, Verbindung mit uns hergestellt und eine Kurve geflogen. Das beweist Mut und Geschicklichkeit. Der Mann ist in Ordnung! Sie brauchen nur seine Meldungen zu lesen. Nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Das zeigen auch seine Mitteilungen.«
Johnson trat an die Pazifikkarte, die vorher aufgehängt worden war, und betrachtete das eingezeichnete Kreuz. »Ist das ihre geschätzte Position?«
»Richtig, aber wir sind mehr oder weniger auf Vermutungen angewiesen.« Ferro stand auf und trat ebenfalls an die Wandkarte. Er zeigte auf einen zweiten markierten Punkt. »Das ist die letzte von der Straton gemeldete Position. Diesen anderen Punkt hat Jerry Brewster extrapoliert. Wir sind im Augenblick dabei, eine neue Positionsberechnung vorzunehmen. Brewster wird …«
Das Klingelzeichen des Data-Link-Geräts unterbrach ihn. Die beiden Männer gingen rasch an den Fernschreiber zurück.
»Das muß die Antwort sein!« sagte der Dispatcher aufgeregt. »Kurz bevor Sie gekommen sind, habe ich ihn aufgefordert, ›Tote und Verwundete, alle geistig behindert‹, zu erklären. Damit hat er sich verdammt lange Zeit gelassen.« Ferro las den gedruckten Text, während Johnson sich auf den Bildschirm konzentrierte.
VON FLUG 52: ALLE FÜNF ÜBERLEBENDEN HABEN SICH WÄHREND DES DRUCKABFALLS IN UNTER ÜBERDRUCK STEHENDEN KLEINEN RÄUMEN AUFGEHALTEN . DIE MEISTEN PASSAGIERE LEBEN NOCH ; VERMUTE JEDOCH HIRNSCHÄDEN ALS FOLGE LÄNGEREN SAUERSTOFFMANGELS . FLUGGÄSTE ZUM TEIL UNRUHIG UND GEWALTTÄTIG . WOLLEN ÜBER TREPPE IN SALONCOCKPIT VORDRINGEN , ABER STEIN WEHRT SIE AB .
Ferro hob langsam den Kopf. »Um Himmels willen …«, murmelte er betroffen.
Johnson schlug sich mit der rechten Faust klatschend in die linke Handfläche. »Verdammter Mist! So ein verdammtes Pech!« Er wandte sich an Ferro. »Ist das möglich? Kann das passiert sein?« Johnsons Fachkenntnisse waren lückenhaft, und er hatte es nie für nötig gehalten, sich in dieser Beziehung zu verstellen.
Jack Ferro verstand plötzlich genau, was passiert war. Eine Bombe hatte zwei Löcher – zwei große Löcher – in den Rumpf der Straton 797 gerissen. Wären sie kleiner gewesen, hätte der Kabinendruck sich vielleicht lange genug gehalten. Wäre diese Dekompression bei einem gewöhnlichen Verkehrsflugzeug aufgetreten, hätten Besatzung und Fluggäste wegen der niedrigeren Flughöhe mit Sauerstoffmasken atmen können. Aber in 62 000 Fuß, wo die einzigen
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