McDermid, Val
Frottee-Morgenmantel über einem Flanellschlafanzug und
knallrosa Gummisandalen, bemühte sich um den coolen Teenager-Look, während
ihre Mutter eher müde als erschrocken aussah. Alle drei zögerten an der Tür und
warteten darauf, dass Ambrose das Kommando übernahm.
»Bitte, nehmen Sie Platz«,
sagte er und gab ihnen ein wenig Zeit, sich auf dem Sofa zurechtzusetzen. »Es tut
mir leid, Sie zu behelligen, aber es ist wichtig.«
Claire zuckte mit den
Schultern. »Wie auch immer. Keine große Sache. Nur weil Jen ihren
Heiligenschein abgelegt hat und mal nicht rechtzeitig nach Haus gekommen ist.«
Ambrose schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Claire. Es ist ernster.«
Blitzartig wurde sie von
panischer Angst ergriffen. Heutzutage, bei den Dingen, die man online und im
Fernsehen sah, dauerte es nicht lange zu begreifen. Jede Vorspiegelung von
Unbekümmertheit war verschwunden, bevor Ambrose weitersprechen konnte. »Oh,
mein Gott«, rief Claire. »Ihr ist etwas wirklich Schlimmes zugestoßen, oder?«
Sie legte ihr Gesicht in die Hände, und ihre Finger vergruben sich in die
Wangen. Sie drängte sich an ihre Mutter, die schützend einen Arm um sie legte.
»Ich fürchte, ja«, sagte
Ambrose. »Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen sagen, dass Jennifer heute Abend
zu Tode gekommen ist.«
Claire schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Es ist aber wahr. Es tut mir
wirklich leid, Claire.« Er machte sich darauf gefasst, dass das Mädchen in
Tränen ausbrechen würde.
»Geben Sie uns etwas Zeit«,
bat ihre Mutter, die der Schock erröten und wieder blass werden ließ. »Bitte.«
Ambrose ließ sie allein. Er saß auf der Treppe und wartete. Die Leute dachten
immer, das Polizistendasein bestünde aus Action, Verfolgungsjagden im Auto und
Verdächtigen, die es an Wände zu schubsen galt. Sie begriffen nicht, dass es
tatsächlich um Geduld ging. Patterson hatte es kapiert. Das war einer der
Gründe, weshalb Ambrose seinen Chef mochte. Wenn von oben Ergebnisse gefordert
wurden, gab Patterson nicht den Druck an sein Team weiter. Dabei fehlte ihm
durchaus nicht das Bewusstsein dafür, wenn etwas dringend war, aber er glaubte
einfach, dass manche Dinge ihre Zeit brauchten. Zehn Minuten vergingen, bevor
David Darsie aus dem Wohnzimmer kam. »Sie brauchen noch ein bisschen länger.
Kann ich Ihnen etwas Warmes zu trinken holen?«
»Kaffee, bitte. Schwarz, und
zwei Stück Zucker.« Er saß weitere zehn Minuten mit dem Kaffee da, bevor Mrs. Darsie
zu ihm herauskam. »Sie ist sehr durcheinander«, sagte sie. »Ich übrigens auch.
Jennifer ist ein liebes Mädchen. Sie sind seit der Grundschule beste
Freundinnen. Die Maidments sind wie eine zweite Familie für Claire. Und für
Jennifer ist es genauso umgekehrt. Sie waren immer hier oder bei Jennifer zu
Hause oder zusammen beim Shoppen und so.«
»Genau deshalb ist Claire eine
so wichtige Zeugin für uns«, sagte Ambrose. »Wenn jemand weiß, was Jennifer für
den Abend plante, dann ist es wahrscheinlich Ihre Tochter. Mit mir zu reden ist
das Beste, was sie jetzt für ihre Freundin tun kann.«
»Das weiß sie. Sie ist jetzt
gerade dabei, ihre Kräfte zu sammeln, dann wird sie mit Ihnen sprechen.« Mrs. Darsie
führte eine Hand zum Gesicht und legte sie um Kinn und Wange. »O Gott, die arme
Tania. Sie war ein Einzelkind, wissen Sie. Tania und Paul hatten es sehr lange
schon versucht, als Jennifer kam, und sie waren in sie vernarrt. Nicht dass
sie sie verhätschelt hätten oder so etwas. Sie waren recht streng. Aber man
musste sie nur mit ihr zusammen sehen, um zu verstehen, wie feinfühlig sie ihr
gegenüber waren.«
»Wir haben uns gefragt, wo Mr.
Maidment heute Abend war«, sagte Ambrose und nutzte damit ihre offenkundige
Bereitschaft, über die Maidments zu sprechen. »Er ist in Indien. Er besitzt
eine Firma, die Werkzeugmaschinen herstellt, und ist da drüben, um Aufträge an
Land zu ziehen, damit sie es durch die Kreditklemme schaffen.« Ihre Augen waren
tränenfeucht. »Er wird noch nicht einmal etwas davon wissen, oder?«
»Das kann ich nicht sagen«,
antwortete Ambrose behutsam. »Meine Kollegen sind jetzt bei Mrs. Maidment und
versuchen, ihr ein wenig zu helfen. Sie werden die beste Möglichkeit finden,
mit Mr. Maidment Kontakt aufzunehmen.« Er legte eine warme Hand auf Mrs. Darsies
Ellbogen. »Meinen Sie, dass Claire jetzt vielleicht mit mir reden kann?« Claire
saß zusammengekauert auf dem Sofa, das Gesicht gerötet und die Augen vom
Weinen verquollen. So
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