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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
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»Unglaublich, Herrgott noch mal!« Tony sagte nichts,
saß nur ungerührt da und beobachtete ihre Reaktionen. Als sie am Ende
angelangt war, zog sie den Kopfhörer ab und nahm seine Hand. »Kein Wunder, dass
du die ganze Nacht auf warst«, rief sie. »Das ist ja der helle Wahnsinn!«
    »Wir sagten ja beide, dass wir
Vanessas Version nicht trauen. Dass es eine verborgene Absicht geben musste.
Jetzt zeigt sich, dass wir recht hatten.« Seine Stimme klang eintönig und hart.
    »Ja, aber ich hatte nie
erwartet, auf diese Weise recht zu bekommen«, erwiderte Carol. »Was wirst du
tun? Wirst du sie zur Rede stellen?«
    Er seufzte. »Ich sehe keinen
Sinn darin. Sie wird es nur abstreiten. Es wird keine Auswirkung darauf haben,
wie sie ihr Leben lebt.«
    »Du kannst sie nicht einfach
damit durchkommen lassen«, protestierte Carol. Was er vorschlug, verstieß
absolut gegen ihre Auffassung von Gerechtigkeit.
    »Sie ist schon damit durchgekommen.
Daran lässt sich nichts mehr ändern. Carol, ich will sie nie mehr sehen. Ich
will sie einfach aus meinem Leben entfernen, so wie sie Arthur aus meinem Leben
entfernt hat.«
    »Ich begreife nicht, wie du
dabei so ruhig sein kannst«, meinte Carol.
    »Ich habe die ganze Nacht Zeit
gehabt, darüber nachzudenken«, antwortete er. »Dieser Fall, das war keine
Glanzleistung von mir. Der einzige wirkliche Hinweis, der sich durch das Profiling
ergeben hat, war, wo ihr suchen solltet. Und das war Fiona Camerons Leistung,
nicht meine.«
    »Du bist dahintergekommen,
dass Warren tot war. Und du hast die richtigen Fragen gestellt, durch die die
Vasektomie ans Licht kam«, widersprach sie.
    »Du wärst letztendlich auch
allein drauf gekommen. Aber ich muss mich der Tatsache stellen, dass ich
vielleicht nicht so gut bin, wie ich gern glauben würde. Die letzten beiden
Wochen haben mir klargemacht, dass ich auf der ganzen Linie neu darüber
nachdenken muss, wer ich bin. Ich habe im Leben Entscheidungen getroffen, die
auf unvollständigen Daten beruhten. Ich muss ganz umdenken, Carol.«
    Er sprach mit so tiefem Ernst,
dass sie wusste, sie hatte nicht die Kraft, Einwände dagegen zu erheben. Sie
kehrte zu der Taktik zurück, die ihr am vertrautesten war. Die, die eine solch
überragende Polizistin aus ihr gemacht hatte: im Zweifel angreifen. »Was heißt
das, Tony? Du klingst wie ein Politiker. Nur schöne Worte, aber nichts
Konkretes.« Er warf ihr ein kurzes, trauriges Lächeln zu. »Ich kann konkret
werden, Carol. Ich wollte mich nur vorher erklären. Ich habe vor, im Bradfield
Moor Hospital zu kündigen. Ich plane, das Kanalboot zu verkaufen, weil ich es
nicht mag. Und ich beabsichtige, in Arthurs Haus nach Worcester zu ziehen, weil
ich dort zum ersten Mal in einer Wohnung geschlafen habe, die sich wie ein
Zuhause anfühlt. Was danach kommt, weiß ich noch nicht.«
    Sie verstand die einzelnen
Worte, die er sagte, aber alle zusammengenommen, ergaben keinen Sinn. Es war,
als wäre sie in einer Welt zu Bett gegangen und in einer anderen aufgewacht.
»Du wirst in Worcester leben? In Worcester? Du hast dort eine Nacht verbracht, und jetzt ziehst du
hin? Bist du übergeschnappt?«
    Mit einem unglücklichen
Gesichtsausdruck schüttelte er den Kopf. »Ich wusste, dass du so reagieren
würdest. Ich bin nicht übergeschnappt, nein. Ich versuche nur herauszufinden,
wie ich mit meinem Leben weitermachen kann, nachdem ich jetzt über meine
Herkunft Bescheid weiß. So viel von dem, was ich zu wissen glaubte, hat sich
als unwahr erwiesen. Und ich muss ergründen, wo ich stehe.«
    Sie hätte am liebsten
geschrien: »Und ich?« Nicht zu schreien war geradezu eine körperliche
Anstrengung. Sie klammerte sich an der Tischkante fest und presste die Lippen aufeinander.
    »Schon gut, Carol. Du kannst
es ruhig aussprechen. >Was ist mit mir?<, das willst du doch sagen, oder?«
    »Und gerade deshalb will ich
es sagen«, antwortete sie, bestürzt, dass sie mit so erstickter Stimme sprach.
»Weil du es weißt, ohne dass ich es dir sage.«
    »Ich kann keine Entscheidungen
für dich treffen«, erklärte er. »Es ist deine Sache. Du hast diese Runde gegen
Blake gewonnen, aber er wird nicht so bald von der Bildfläche verschwinden.
Du hast Alvin Ambrose kennengelernt, du hast mit Stuart Patterson gesprochen.
Anständige Männer, denen ihr Beruf wichtig ist. Wenn du dich verändern
wolltest, würde sich West Mercia wahrscheinlich um dich reißen.« Er machte mit
den Händen eine Geste, als wolle er ein Angebot andeuten.
    Carol

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