Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
Vom Netzwerk:
alles, was möglich ist, über ihn erfahren.« Sie nahm einen
Schluck Wein und lächelte ihm aufmunternd zu.
    Tony seufzte. »Ich habe es
geschafft, mein ganzes Leben zu verbringen, ohne etwas über meinen Vater zu
wissen, außer, dass er beschloss, sich von meinem Leben fernzuhalten. Wenn du
nicht so geistesgegenwärtig eingegriffen hättest, als meine Mutter mich um das
zu betrügen versuchte, was er mir in seinem Testament hinterlassen hat, hätte
ich noch immer keine Ahnung davon.«
    Carol lachte schnaubend. »Es klingt
ja geradezu, als wünschtest du, ich hätte Vanessa nicht daran gehindert, dich
übers Ohr zu hauen.«
    Er fand, sie hatte sich selten
eine treffendere Vermutung einfallen lassen. Aber an jenem Tag in der Klinik,
als Carol Vanessa bei ihrem Treiben Einhalt gebot, hatte sie sich um das
gekümmert, was, wie sie meinte, in seinem Interesse lag. Anzudeuten, dass sie
unbeabsichtigt mehr Probleme geschaffen als gelöst hatte, würde sie nur
kränken. Und das wollte er nicht. Jetzt nicht. Eigentlich überhaupt nie. »Ich
bin nicht undankbar für das, was du getan hast. Ich bin nur nicht sicher, ob
ich überhaupt etwas über ihn wissen will.« Carol schüttelte den Kopf. »Du
willst doch nur nicht die ganzen Abwehrmechanismen ablegen, die du im Lauf der
Jahre aufgebaut hast. Aber es ist in Ordnung, Tony. Vanessa ist vielleicht
eine Hexe, aber nach dem, was ich herausbekommen konnte, war dein Vater das
genaue Gegenteil. Ich glaube nicht, dass es irgendetwas gibt, vor dem du dich
fürchten müsstest.«
    Tony schwenkte den Wein im
Glas herum, seine Schultern hoben sich abwehrend. Ein Mundwinkel zuckte nach
oben zu einem bitteren Lächeln. »Es muss etwas geben, Carol. Er hat mich
verlassen. Und sie auch, nebenbei bemerkt.«
    »Vielleicht wusste er gar nichts
von dir.«
    »Er wusste genug, um mir ein
Haus, ein Boot und ein Bündel Bargeld zu vererben.«
    Carol dachte nach. »Ich bin
der Meinung, wenn du sein Geld annimmst, bist du ihm etwas schuldig.« Da hatte
sie recht, stimmte er im Stillen zu. Aber wenn er seine Ahnungslosigkeit um den
Preis erhalten konnte, dass er sein Erbe für wohltätige Zwecke spendete, dann lohnte
es vielleicht, ihn zu zahlen.
    »Ich finde, es hat lange
gedauert, bis er etwas zur Begleichung seiner Schuld getan hat. Und ich glaube,
dass Geld bei weitem nicht ausreicht. Schließlich hat er mich Vanessa
überlassen.« Tony stellte sein Glas ab und presste die Hände fest ineinander.
In seinem Beruf verwendete er viel Zeit darauf, Patienten zu helfen, die
trügerischen Untiefen ihrer Emotionen zu überwinden. Aber all das Zuhören hatte
für ihn selbst den Prozess nicht leichter gemacht. Obwohl er gelernt hatte, im
gesellschaftlichen Umgang auf die meisten Situationen angemessen zu reagieren,
war er immer unsicher, wenn es darum ging, im heiklen Bereich persönlicher
Beziehungen die richtigen emotionalen Antworten zu finden. Sollte er jemals
bei dem versagen, was er »als normaler Mensch durchgehen« nannte, dann würde es
in diesem Bereich passieren. Aber trotzdem hatte Carol mehr verdient als
Schweigen und Oberflächlichkeit.
    Er richtete sich auf und nahm
die Schultern zurück. »Du und ich, wir wissen doch beide, wie verkorkst ich bin.
Ich werfe Vanessa das nicht vor, was sie mir angetan hat. Sie ist genauso ein
Produkt ihrer Umwelt und ihrer Gene wie ich. Aber ich habe keinen Zweifel; sie
hat viel dazu beigetragen, dass ich so untauglich für die Welt bin.«
    »Ich finde nicht, dass du so
untauglich bist«, widersprach Carol.
    Freundlichkeit trug hier den
Sieg über die Ehrlichkeit davon, dachte er. »Vielleicht, aber du hast ja heute
Abend schon mindestens eine ganze Flasche Wein getrunken«, warf er ein; aber
sein Versuch, sich witzig zu geben, war zu ungeschickt, um die Distanz zwischen
ihnen zu überbrücken. Sie starrte ihn an, und er zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Er hätte den Einfluss meiner Mutter abschwächen können, aber das hat er nicht
getan. So viele Jahre später lässt sich diese Schuld unmöglich mit Geld
abtragen.«
    »Er muss seine Gründe gehabt
haben, Tony. Und er scheint wirklich ein anständiger Mann gewesen zu sein.«
Tony erhob sich. »Nicht heute Abend. Ich bin noch nicht so weit. Lass mich
darüber nachdenken, Carol.« Ihr Lächeln hatte etwas Gezwungenes. Er kannte alle
Nuancen ihrer Mimik, und aus diesem Lächeln las er Enttäuschung heraus. Hatte
er ihr auch geholfen, im Berufsleben Erfolg über Erfolg zu erringen, so glaubte
er manchmal,

Weitere Kostenlose Bücher