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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
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ein Badezimmer, danach ein
Arbeitszimmer. Alle lagen im Dunkeln und gaben nicht viele ihrer Geheimnisse
preis. Hinter der vierten Tür lag, was er suchte. Einen Moment atmete er den
Duft von Jennifer Maidments Leben ein, bevor er das Licht anschaltete - süßer
Pfirsichgeruch vermischt mit einem Hauch von Zitrusblüten. Es war dem Zimmer
seiner eigenen Tochter entwaffnend ähnlich. Wenn er. das Geld gehabt hätte, Lily
ihre Wünsche zu erfüllen, dann hätte sie, so vermutete er, die gleiche Art von
Dekor und Möblierung in Rosa, Weiß und Pastellfarben gewählt. Poster von
Boybands und Girlbands, eine Frisierkommode, auf der ein Mischmasch diverser
Versuche lag, ein passendes Make-up zusammenzustellen, ein kleines Bücherregal
mit Romanen, die er auch in seinem eigenen Wohnzimmer hatte herumliegen sehen.
Er nahm an, dass die zwei Türen an der hinteren Wand zu einer Ankleide führten,
die vermutlich vollgestopft war mit einer Mischung aus praktischen und schicken
Sachen. Es reichte, wenn die Spurensicherung sich all das vornahm. Er war an
der Kommode interessiert und an dem kleinen Schreibtisch in der Ecke.
    Patterson zog sich ein Paar
Latexhandschuhe über und fing an, die Schubladen durchzusehen. Büstenhalter und
Höschen, alles ordentlich und spitzenbesetzt, aber bemitleidenswert in seiner
elementaren Unschuld. Strumpfhosen, ein paar Socken, die fest zusammengerollt
waren, aber nichts verbargen. Blüschen und Tops mit Spaghettiträgern, T-Shirts,
die durch den Lycraanteil unwahrscheinlich eng aussahen. Billige Ohrringe, Armbänder,
Anhänger und Halsketten, schön zurechtgelegt in einer Schale. Ein Bündel alter
Weihnachts- und Geburtstagskarten, die Patterson nahm und zur Seite legte.
Jemand würde sich diese zusammen mit Mrs. Maidment anschauen müssen, sobald sie
sich auf etwas anderes als ihren Schmerz konzentrieren konnte.
    Sonst erregte nichts sein
Interesse, also ging er zum Schreibtisch weiter. Der obligatorische
Apple-Laptop war geschlossen, aber Patterson sah am Anzeigelämpchen, dass er
auf Standby war, nicht ausgeschaltet. Der modernste iPod war an den Computer
angeschlossen, die Kopfhörer lagen mit wirr verschlungenem Kabel daneben. Patterson
zog das Rechnerkabel aus der Steckdose, schrieb einen Beleg dafür und klemmte
ihn unter den Arm. Nachdem er sich noch einmal rasch im Zimmer umgesehen hatte,
um sicherzugehen, dass er nichts Naheliegendes übersehen hatte, ging er wieder
nach unten.
    Mrs. Maidment hatte aufgehört
zu weinen. Sie saß aufrecht da und sah zu Boden, die Hände im Schoß verkrampft,
und Tränen schimmerten noch auf ihren Wangen. Ohne den Blick zu heben, sagte
sie: »Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte.«
    »Niemand von uns versteht es«,
antwortete Patterson. »Jennifer belügt mich nicht, wenn sie weggeht«, erklärte
sie, und ihre Stimme war tonlos und schmerzlich gepresst. »Ich weiß, dass jeder
denkt, das eigene Kind lügt nicht, aber Jennifer tut es wirklich nicht. Sie
und Claire, sie machen alles gemeinsam. Sie sind immer hier oder bei Claire zu
Hause, oder sie gehen zusammen aus. Ich begreife es nicht.« Patel tätschelte Mrs.
Maidments Schulter. »Wir werden es herausfinden, Tania. Wir werden aufklären,
was mit Jennifer geschehen ist.«
    Patterson wünschte, er hätte
ihre Zuversicht. Tief betrübt und erschöpft setzte er sich und bereitete sich
darauf vor, Fragen zu stellen, die vermutlich wenig bringen würden. Aber sie
mussten trotzdem gestellt werden. Und die Antworten würden sowohl wahr als
auch gelogen sein. Es würde beides geben. Das war immer so.
     
    3
     
    Carol hatte nicht gelogen. Der
Sancerre war ausgezeichnet, etwas herb mit einem leichten Aroma von Stachelbeeren,
kühl und frisch. Trotzdem hatte Tony nur ab und zu Lust, daran zu nippen. Wenn Carol,
ähnlich wie ein Hund, der seinem Herrchen eine nasse Zeitung vor die Füße
fallen lässt, Informationen über seinen Vater darbieten würde, dann wollte er
seine fünf Sinne beisammenhaben. Carol machte es sich auf dem Sofa gegenüber
von Tonys Sessel bequem. »Also, willst du nicht wissen, was ich über deinen
Vater herausgefunden habe?«
    Tony vermied es, ihr in die
Augen zu schauen. »Er war nicht mein Vater, Carol. Nicht in dem Sinn, dass es
wirklich etwas zu bedeuten hätte.«
    »Die Hälfte deines genetischen
Erbguts kommt von ihm. Selbst Psychologen, die sich ganz auf Einflüsse der Umgebung
auf das Verhalten versteifen, müssen zugeben, dass das doch etwas gilt. Ich
dachte, du wolltest

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