McDermid, Val
nicht
lange um den heißen Brei herum. Er war gerade im Wohnzimmer angelangt, als er
schon mit dem Grund seines Kommens herausplatzte: »Ich brauche Ihre Hilfe.«
Tony zuckte mit den Schultern.
»Ich dachte, ihr könntet es euch nicht mehr leisten, mich zu beschäftigen.« Sam
schnaubte. »Meiner Meinung nach können wir es uns nicht leisten, Sie nicht zu
beschäftigen. Aber sie haben uns stattdessen so einen Schwachkopf von der
Nationalen Fakultät geschickt. Tim Parker.« Tony hatte Mühe, sich seine Bestürzung
nicht anmerken zu lassen. Sam brummte: »Ich sehe, Sie kennen ihn. Sie werden
also wissen, dass er nichts als heiße Luft ist. Und ich will mit seinesgleichen
bei diesem Fall nichts zu tun haben. Sie wissen, was wir jetzt am dringendsten
brauchen, oder?«
Jemand anders hätte sich von Sams
Heftigkeit vielleicht einschüchtern lassen. Aber Tony kannte ihn gut genug, um
sie als die Wut eines Mannes zu deuten, der seinen Traum bedroht sieht. »Sie
brauchen Ergebnisse«, antwortete er ruhig, setzte sich und nahm eine entspannte
Haltung an. Es war nicht nötig, Sam merken zu lassen, wie sehr dieses
Bedürfnis auf Gegenseitigkeit beruhte. »Sie müssen James Blake zeigen, dass
Ihre Arbeitsweise die beste ist.«
»Genau. Und deshalb bin ich
hier. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich brauche Ideen für eine Vernehmung.«
»Ich vermute, Carol weiß
nicht, dass Sie hier sind?« Sam warf ihm einen Blick zu. »DCI Jordan braucht
nichts davon zu erfahren. Aber eins weiß ich, Doc. Dieses Team ist DCI Jordans
Leben. Ohne uns hätte sie Probleme.« Sein Mund verzog sich zu einem bitteren
Lächeln »Und ohne DCI Jordan hätten Sie Probleme.« Er saß auf der Lehne
eines Sessels wie ein großer Vogel, bei der ersten Drohung zum Abflug bereit.
Tony konnte das Unbehagen
nicht abstreiten, das Sams zutreffende Äußerung ihm verursachte. »Sie
appellieren also an mein Eigeninteresse?«
Sam hob die Schultern. »Ich
finde immer, es ist ganz gut, davon auszugehen.«
»Carol wird es nicht gefallen,
dass Sie mir Einzelheiten aktueller Fälle mitteilen.«
Sam runzelte die Stirn. »Wer
hat etwas von einem aktuellen Fall gesagt? Ich will Sie etwas wegen eines
ungelösten Altfalls fragen.«
Tony versuchte seine
Enttäuschung zu verbergen. »Sie arbeiten nicht an den ermordeten Jungen?«
»Ja, schon. Natürlich. Aber
ich habe gerade einen alten Fall auf dem Tisch, bei dem sich bald etwas tun
wird, deshalb arbeite ich nebenbei daran, wissen Sie? Und ich strample mich
ab. Strample mich ab an verschiedenen Fronten. Sie wissen ja, wie das ist.«
Tony konnte sich nicht
erinnern, dass Sam je zugegeben hatte, Hilfe zu brauchen. Bei seinem Ehrgeiz
und seiner Energie vermutete Tony, dass er ihn heute nur besucht hatte, weil es
inoffiziell war und sich leicht leugnen ließ. Aber wenn er Sam einen Gefallen
tat, könnte sich das später auszahlen. »Sagen Sie mir doch, worum es geht«,
forderte er ihn auf. Es dauerte nicht lang. Sam hatte immer schon die Gabe gehabt,
die Schlüsselfaktoren einer Ermittlung klar zu benennen und sie logisch zu
ordnen. »Sie sehen also mein Problem«, fasste er schließlich zusammen. »Ich
habe keine objektiven Beweise für Mord. Und ich habe nichts außer dem Computer,
um Nigel Barnes mit dem Tod seiner Frau, seiner Tochter und von Harry Sim in
Verbindung zu bringen. Ganz zu schweigen davon, dass ich keine Ahnung habe,
welche Rolle Harry Sim dabei spielte.« Er schlug sich frustriert auf die
Schenkel. »Harry Sim ist der einfache Teil«, meinte Tony und genoss Sams irritiertes
Stirnrunzeln. »Für Nigel Barnes ist er die Garantie, dass er ohne Gefängnis
davonkommt.«
»Wovon reden Sie?«
Tony setzte sich bequemer auf
seinem Sessel zurecht, selbstsicher, wie er es nur war, wenn er sich in der
Psyche anderer zurechtfand. »Wenn wir eins über Nigel Barnes wissen, dann ist
es, dass er vorausplant. Er hat alles vorher durchdacht. Ein akribisch
vorgehender Mann würde schon, bevor er anfängt, für einen Fluchtweg sorgen. Und
genau das war Harry Sim für ihn.«
Sam stieß einen frustrierten
Seufzer aus. »Das verstehe ich nicht. Wieso ist Harry Sim die Garantie, die ihm
das Gefängnis erspart?«
»Folgendes wird passieren,
wenn Sie Nigel Barnes mit der Entdeckung der Leichen im See konfrontieren. Er
wird Ihnen eine Geschichte erzählen, wie seine Frau ihn verließ, er sie suchte
und alle drei in einer Art groteskem gemeinsamem Selbstmordpakt tot vorfand.
Und er bekam Panik, weil er fürchtete, ihm werde die Schuld
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