McDermid, Val
anderen in den Zeitungen
darüber informieren müssen.« Sie legte ihre Hand auf seine, und ihre Stimme wurde
weicher. »Es tut mir leid.«
»Das begreife ich nicht«,
sagte er. »Ich meine, ich verstehe, was du sagst, dass du unsere Beziehung
nicht ausnutzen willst. Und dass du nicht willst, dass Blake etwas umsonst
bekommt. Aber wir sprechen hier über Menschenleben, Carol. Wir haben es hier
mit einem Killer zu tun, der zum Serientäter wird, wenn du ihn nicht stoppen
kannst. Wir müssen doch alles tun, was wir können, um ihm Einhalt zu gebieten.
Ist das nicht wichtiger, als auf Prinzipien zu bestehen?« Einen Moment dachte
er, sein Appell an ihre edleren Instinkte hätte sie überzeugt. Sie biss sich
auf die Lippe und spielte wieder mit ihren Stäbchen. Dann schüttelte sie den
Kopf. »Es geht hier nicht darum, Punkte einzuheimsen. Es geht um die ganze
Situation. Darum, dass für die Bereitstellung der nötigen Mittel für mein Team
gesorgt ist. Es geht nicht nur um die Frage, was in diesem Fall geschehen wird.
Wenn wir diesem Unsinn jetzt nicht Einhalt gebieten, werden noch viel mehr
Menschen sterben, ohne Gerechtigkeit zu bekommen. Ich kann nicht arbeiten, wenn
mir dauernd eine Hand auf den Rücken gebunden wird, und das muss Blake begreifen.
Du hast recht, es stehen Leben auf dem Spiel. Und gerade deshalb muss ich hier
Stellung beziehen.«
Er erinnerte sich, dass er ja
nichts von Tim Parker wissen durfte. Einen Moment überlegte er, wie er
reagieren würde, wenn er wirklich keine Ahnung hätte. »Du ziehst das also ohne
externe Hilfe durch? Ein potenzieller Serientäter - und du kehrst zu den alten
Methoden zurück, zu der Überzeugung, dass nur Polizisten wissen, wie
Verbrecher ticken?« Er versuchte, ungläubig und verärgert zu klingen, war aber
nicht sicher, ob es sich vielleicht übertrieben anhörte. Carol wandte den Blick
ab. »Nein, wir lassen jemanden von der Fakultät ein Profil erstellen.«
Tony stöhnte. »Ich bin meinen
Job also los, oder? Wer ist es denn? Sag mir, es ist einer von den besseren.«
»Tim Parker.«
Er schlug die Hände vors
Gesicht. Seine Stimme drang nur gedämpft heraus. »Und was hältst du von Tim?«
Die Bedienung trippelte in ihrem engen, schimmernden Satinkimono mit einer
Platte Frühlingsrollen an den Tisch und stellte sie zwischen ihnen ab. Carol nahm
eine und biss hinein. »Ah«, keuchte sie. »Heiß!« Sie kaute mit offenem Mund,
schluckte und trank Wein nach. »Wir hatten da einen Ausdruck, als ich ein
Teenager war: NBB.«
»NBB?« Tony knabberte
vorsichtiger an seiner Rolle. »Nice boy, but ...«
»Und was hieß das genau?«
»Ganz nett. Aber etwas fehlt
ihm. Charisma, gutes Aussehen, Köpfchen, Persönlichkeit, Humor. Eine oder
mehrere der genannten Eigenschaften. Hoffnungslos als jemand, der als Freund in
Frage käme, das heißt es ungefähr.« Als sie sah, dass er nun noch verwirrter
war, erklärte sie, was sie meinte. »Nicht dass ich an Tim als Material für
einen potenziellen Partner gedacht hätte. Was ich meine, ist, dass er durchaus
umgänglich und offensichtlich nicht dumm ist und weiß, wie man eine Anordnung
höflich entgegennimmt. Aber es ist klar, dass er einfach nicht das Zeug dazu
hat.«
»Und ich hab das Zeug?« Carol lachte.
»Anscheinend, ja.«
Tony schüttelte den Kopf und
lachte mit ihr. »Das ist allerdings mehr als ein bisschen besorgniserregend.«
»Kennst du den Jungen? Habe
ich unrecht? Ist Tim ein fähiger Profiler?«
Tony überlegte, was er
antworten sollte. Konnte er ihr die Wahrheit sagen, dass Tim so viel
Einfühlungsvermögen hatte wie ein Journalist der Boulevardpresse? Tim war ihm
egal, aber nicht gleichgültig war es ihm, wenn Carol und ihr Team unterminiert
wurden. Also entschied er sich für eine ungewohnt diplomatische Antwort. »Er
hat gewisse Fähigkeiten«, erwiderte er. Damit ging er an die Grenze dessen, was
er zu sagen bereit war.
Sie aßen schweigend. Dann
meinte Carol: »Wenn er es nicht bringt, werde ich es ja merken.«
»Klar wirst du es merken. Die
Frage ist, was du dann tun wirst.«
Sie lächelte ironisch. »Ich
werde es ihm mitteilen. Und dann werde ich bei Blake ordentlich Krach schlagen.
Und er wird mir hoffentlich erlauben, dich wieder aus der Kälte nach drinnen
zu holen.«
Er hatte ihren Optimismus
schon immer sehr gemocht. Im Lauf der Jahre hatte er ein wenig gelitten, aber
sie hielt immer noch an dem Glauben fest, dass sich die Dinge letztendlich
irgendwie gut entwickeln würden. Er wusste, dass er
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