McDermid, Val
trotzdem nach abgestandenem Alkohol und gammeligem Männergeruch. Paula
versuchte, unauffällig durch den Mund zu atmen. Der Bildschirm des Fernsehers
fiel ihr ins Auge. Als Standbild waren darauf Daniel und seine Mutter in
winterlicher Sportbekleidung zu sehen, sie grimassierten in die Kamera. Im
Hintergrund leuchteten verschneite Berge. Morrison goss sich einen Schluck Scotch
ein und bemerkte ihren Blick. »Das Wunder der modernen Technik. Erweckt sie
wieder zum Leben«, nuschelte er.
»Das ist keine sehr gute Idee,
Mike«, mahnte sie sanft.
Er stieß ein sprödes Lachen
aus. »Nein? Was gibt es sonst?
Ich habe meine Frau geliebt.
Ich habe meinen Jungen geliebt. Sonst gibt es in meinem Leben nichts zu
lieben.« Es ließ sich nur schwer etwas dagegen einwenden, dachte Paula. Sie
würde später seinen Hausarzt anrufen. Und auch in seinem Büro, um zu sehen, ob
man dort wusste, mit wem er befreundet war. Dies war ein Schmerz, den sie nicht
einfach ignorieren konnte. »Ich muss Ihnen eine Frage stellen«, sagte sie.
»Was für einen Unterscheid
macht das? Sie können sie nicht zurückbringen.«
»Nein. Aber wir können ihn
daran hindern, einer anderen Familie das Gleiche anzutun.«
Morrison lachte wieder, und
die manische Steigerung war unüberhörbar. »Sie meinen, dass ich es schaffe,
mich noch für jemand anderen zu interessieren?«
»Ja, Mike. Ich glaube, das
schaffen Sie. Sie sind ein anständiger Mensch, Sie wollen nicht dazu
beitragen, dass jemand anders das Gleiche durchmacht.«
Tränen stiegen ihm in die
Augen, und er wischte sie mit dem Handrücken weg. Er trank noch einen Schluck
und murrte: »Scheren Sie sich doch zum Teufel. Also, stellen Sie Ihre Frage.«
Los jetzt. Zeit, in Deckung zu
gehen. »Haben
Sie und Jessica sich einer Fruchtbarkeitstherapie unterzogen, als Sie Daniel
bekamen?«
Er hielt mit dem Glas inne,
das er halb zum Mund geführt hatte. »Woher wissen Sie das, verdammt?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb
frage ich Sie danach.«
Er rieb sich das stoppelige
Kinn. »Jess hatte immer wieder Fehlgeburten. Sie wollte unbedingt ein Kind. Mir
war es nicht so wichtig. Aber ich konnte ihr nichts abschlagen.« Er starrte den
Bildschirm an. »Sie haben Untersuchungen gemacht.« Er verzog den Mund. »Sie war
allergisch gegen mein Sperma.
Können Sie das fassen? Da
hatten wir gedacht, wir passen perfekt zueinander, dabei konnte sie mich die
ganze Zeit nicht ertragen.« Er nahm wieder einen Schluck Whisky. »Ich hätte es
dabei bewenden lassen, aber sie wollte das nicht. Also gingen wir zur
Befruchtungsklinik am Bradfield Cross Hospital und ließen uns das Sperma von
einem anderen Kerl geben.«
»Das muss schwierig gewesen
sein für Sie.«
»Sie haben keine verdammte
Ahnung. Ich hatte das Gefühl, dass ein anderer Mann da ist. In meiner Frau.« Er
kratzte sich am Kopf. »Ich wusste mit dem Kopf, dass es nicht so war, aber im
Herzen war es ganz anders.«
»Wie war es, nachdem Daniel
zur Welt gekommen war?« Ein sanftes Lächeln trat auf sein leidendes Gesicht.
»Es war Liebe auf den ersten Blick. Und dabei blieb es. Aber gleichzeitig
wusste ich, dass er mir fremd war. Er war nicht Fleisch von meinem Fleisch. Ich
wusste nie wirklich, was sich in seinem Kopf tat. Ich hatte ihn schrecklich
lieb, aber ich lernte ihn nie richtig kennen.« Er zeigte auf den Fernseher.
»Ich versuche es immer noch. Aber jetzt werde ich es niemals mehr schaffen,
oder?«
Darauf gab es nichts zu sagen.
Paula stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir hören
voneinander.« Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal etwas
Hohleres gesagt hatte.
»Das war der Anfang vom Ende
meiner Ehe«, sagte Lara Quantick bitter. »Ich dachte, ein Kind würde uns
einander näherbringen. Aber er war wie ein verdammter Silberrückengorilla. Er
hasste Niall, weil er in seinen Augen das Kind eines anderen war. Und außerdem
eine ständige Erinnerung daran, dass er kein richtiger Mann war. Ich wette, es
tut ihm nicht mal leid.«
Sam nickte und versuchte,
mitfühlend auszusehen. Er hatte bekommen, weshalb er gekommen war. Die
Bestätigung, dass Niall Quantick das Kind eines Samenspenders war und dass das
Sperma vom Bradfield Cross Hospital gekommen war. Er glaubte nicht, dass Lara
Quantick sonst noch etwas wusste, das für ihn von Nutzen sein konnte. Jetzt
musste er sich davonmachen, bevor er sich in eine ausführliche Schilderung
ihrer kaputten Ehe hineinziehen ließ. Ihr Ex tat ihm fast leid. Er hätte
Weitere Kostenlose Bücher