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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
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hatten beide bemerkt, dass er
auf seine Freunde nicht die gleiche Wirkung zu haben schien wie auf sie. Und
sie waren dankbar, dass die Pubertät ihren wunderbaren Jungen nicht zu einem
mürrischen, einsilbigen Klotz gemacht hatte. Beim Gedanken an die meisten
seiner Freunde schauderte ihnen dieser Tage. Süße, liebevolle Jungen, die im Haus
umhergehüpft waren, widmeten sich jetzt allerlei Fantasy-Spielen und hatte
sich in brummende, muffelnde Kreaturen verwandelt, die meinten, die
Kommunikation mit Erwachsenen enttäusche irgendwie ihre Gleichgesinnten. Kathy
sagte, es sei ein Wunder, dass Seth diesem Aspekt der Initiation in die
Männerwelt entgangen sei.
    »Aber was Musik betrifft, hat
er wirklich einen schrecklichen Geschmack«, hatte Julia mehrmals betont, als
sei das ein Gegengewicht für seine besseren Eigenschaften. Sie hatte keine Ahnung,
wo er seine Vorliebe für frühen Grunge herhatte, und war dankbar, dass er sich
bis jetzt seine Klamotten nicht allzu sehr in diesem Stil aussuchte.
    »Es könnte schlimmer sein«,
meinte Kathy immer. »Er könnte ja Musicals mögen.«
    Seths Unfähigkeit, irgendetwas
für sich zu behalten, hatte zur Folge, dass seine Beschäftigung mit dem
Computer Julia und Kathy nicht beunruhigte. Aber sie waren nicht so locker,
dass sie auf Kontrollen mit allen zusätzlichen Absicherungen verzichteten, mit
denen Kathy auch die von ihr entworfenen Websites schützte. Allerdings
schauten sie ihm nicht persönlich über die Schulter, obwohl Kathy regelmäßig
seine RigMarole-Seite auf Spinner und unerwünschte Typen hin überprüfte. Nicht,
dass das sehr nötig gewesen wäre. Oft genug ging es bei Seths Tischgesprächen
um Rig - mit wem er sich unterhielt, was er über das Thema zu sagen hatte, was
diese Woche getwittert wurde, von welchem faszinierenden neuen Programm er
gehört hatte.
    Das Problem mit einem Leben,
über das eins zu eins berichtet wird, ist, dass andere Menschen schließlich aus
Notwehr abschalten. Julia und Kathy hörten in letzter Zeit Seths Nachrichten
aus der Welt nur mit halbem Ohr. Vieles von dem, was er sagte, verlor sich im
Windschatten der Worte, die am Küchentisch hervorsprudelten. Als er zum ersten
Mal einen neuen Freund bei Rig erwähnte, der JJ hieß, merkte sich Kathy den
Namen und sah auf Seths Seiten nach. Er schien ein ganz normaler Jugendlicher
und Computerfreak zu sein, der die Songtexte von Pearl Jam und Mudhoney
analysierte, in denen sich Pathos und Angst vermischten. Es gab also nichts,
worüber man sich Sorgen machen sollte.
    Und so war JJ als Thema immer
gegenwärtig, eine weitere Sammlung von Gesprächsstoff, von der sie sich
berieseln lassen konnten. Natürlich schrillten deshalb keine Alarmglocken,
als Seth nebenbei erwähnte, er treffe sich mit JJ, weil sie in den Bradfielder
Secondhandläden für CDs auf die Suche nach seltenen Aufnahmen gehen wollten.
Wenn man an Offenheit gewöhnt ist, kommt es einem nie in den Sinn, dass das,
was man hört, alles andere als die Wahrheit sein könnte.
     
    Tony googelte die Website des
Immobilienmaklers in Worcester und klickte dann auf die Schaltfläche »Neue
Objekte«. Die Frau, mit der er in der Agentur zu tun gehabt hatte, hatte sich
angehört wie einer seiner Patienten mit bipolarer Störung während einer
unbehandelten manischen Phase. Sie hatte ihm vor zwei Tagen versichert, dass
die Fotos am gleichen Nachmittag gemacht und »innerhalb der nächsten Stunden«
auf die Website gestellt werden würden. Jetzt erst hatte er den Mut aufgebracht,
sich die Informationen über das Haus anzuschauen, das er verkaufen wollte, ohne
es jemals gesehen zu haben. Bei dem Preis, den der Makler genannt hatte, wusste
er, dass es eine ansehnliche Immobilie sein musste, aber auf die weitläufige
Villa im edwardianischen Stil, die er jetzt vor sich hatte, war er nicht
vorbereitet gewesen. Es war ein schönes Backsteinhaus in einem warmen Rotton,
dessen hohe Erkerfenster zu beiden Seiten und dessen imposanter Eingang in
kontrastierendem hellem Gelb abgesetzt waren. Am Rand der Fenster waren
schwere, dicke Stores zu sehen, und der Garten war schön angelegt und üppig
bepflanzt. »Einzigartige Gelegenheit, ein wunderbares Einfamilienhaus mit
Blick auf den Gheluvelt-Park zu erwerben« posaunte der quer über die Fassade
laufende Werbespruch. »Vier Schlafzimmer, drei Gesellschaftszimmer, drei
Badezimmer. Komplett ausgestattete Werkstatt mit Stromanschluss.« Tonys
Augenbrauen hoben sich, und er verzog den Mund. Das war ein

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