McDermid, Val
Lächeln zu.
»Wie weit meinst du wohl? Wenn
sie mich hinzuziehen. Das sollte dir alles sagen, was du wissen musst.«
»Also rein gar nichts, was sie
weiterbringt?«
»So ungefähr.«
»Ich beneide dich nicht.«
»Ich beneide mich selbst auch
nicht. Nur eine Leiche, da
ist es immer schwer, klare Schlussfolgerungen zu ziehen. Du weißt ja, wie es
läuft. Je mehr Todesfälle, desto besser werde ich.« Das war das Schlimmste an
der Arbeit als Profiler, dachte er. Dass man aus dem Unglück eines anderen
Nutzen zog, bekam so eine ganz neue Bedeutung. Eines der schwierigsten Dinge,
mit denen er jemals hatte klarkommen müssen, war: Er hatte den einzigen Beruf,
in dem man sich auf Serienmörder verlassen musste, um gut dazustehen. Das
verhalf ihm nicht gerade zu einem guten Schlaf.
11
Paula balancierte über die
länglichen Kunststoffplatten, die den erlaubten Fußweg vom Rand des Tatorts zur
Mitte bildeten. Es war verdammt trostlos hier oben. Sie fragte sich, was an
diesem kahlen Hang einen hoffnungsvollen Bauträger bewogen hatte, den Platz zu
erschließen. Selbst Naturliebhaber müssten sich anstrengen, um hier oben viel
Reizvolles zu entdecken. Es gab in einiger Entfernung eine Baumgruppe, hinter
der Paula etwas zu erkennen glaubte, das wie ein niedriges Steinhaus aussah.
Wahrscheinlich ein Bergbauernhof, denn auf den Hügeln ober- und - unterhalb
des Baugrundstücks, das jetzt zum Gegenstand solch intensiver Geschäftigkeit
geworden war, grasten Schafe. »Wenigstens regnet es nicht«, begrüßte sie Franny
Riley, als sie die Gruppe am Ende des Pfads erreichte. Die nicht angezündete
Zigarette in seinem Mund wippte beim Sprechen auf und ab.
»Auch Ihnen einen schönen
guten Morgen, Sergeant«, sagte Paula.
Zwei der anderen Kripobeamten
vor Ort warfen ihr einen neugierigen Blick zu, aber die Kollegen der
Spurensuche in ihren weißen Anzügen hoben nicht einmal den Blick. Ihnen lagen
die Toten mehr am Herzen als die Lebenden. »Danke für die Vorwarnung.« Sie war
nicht gerade erfreut gewesen, als sie an ihrem freien Tag, an dem sie
ausschlafen wollte, von dem hartnäckigen Klingeln ihres Handys aus dem Schlaf
gerissen worden war, aber Franny Rileys Neuigkeit war auf jeden Fall einen
solchen Weckruf wert.
»Ich glaube, wir haben ihn gefunden«,
hatte er gesagt, und seine Stimme klang so düster, dass sie wusste, es war
keine gute Nachricht. »Ich schicke Ihnen per SMS die Wegbeschreibung.«
Sie hatte Carol angerufen, in
vier Minuten geduscht und zwanzig Minuten danach dem Polizisten, der den Zugang
zum Tatort kontrollierte, ihren Namen genannt. Offenbar hatte er sie schon
erwartet, wodurch sich ihr Eindruck verstärkte, dass Franny Riley ein
tüchtiger Polizist war. Und jetzt standen sie hier, nicht viel mehr als einen
Meter entfernt von einem mit Beton gesäumten Graben, wo Daniel Morrisons
mutmaßliche Leiche lag. »Wer hat den Leichnam gefunden?«, fragte sie. »Anonymer
Anruf. Er klang verdammt erschrocken.« Franny zeigte mit dem Daumen auf die
geteerte Zufahrt. »Frische Reifenspuren, wo jemand weggefahren ist. Frischer
als die Leiche, anscheinend. Und kreuz und quer Stiefelabdrücke. Alles seit
gestern Nachmittag, als es regnete, sagen die Jungs, die sich mit solchen
Sachen auskennen. Sieht aus, als wäre ein Schlaumeier auf gut Glück hier raufgefahren,
um zu sehen, ob es etwas zu klauen gibt, und dann bekam er was völlig anderes
als das, womit er gerechnet hatte.«
»Wissen wir mit Sicherheit,
dass es Daniel Morrison ist?«
»Aller Wahrscheinlichkeit
nach.« Franny dehnte unter seinem Anorak die muskulösen Schultern. »Kommen
Sie, gehen wir raus aus der Absperrung, damit wir eine rauchen und ich Sie aufs
Laufende bringen kann.« Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte er schon über
die Kunststoffplatten davon, als habe er etwas Wichtiges vor. Sobald sie
jenseits des Absperr bands der Polizei waren, brannte seine Zigarette
schon. Paula schloss sich ihm an und fing sich damit einige kritische Blicke
der uniformierten Kollegen ein. Heutzutage kam es einem vor, als stünde Rauchen
so weit oben auf der Liste der gemeingefährlichen Vergehen wie
Kindesmissbrauch. Sie hatte es schon häufiger aufgeben wollen, aber irgendwie
kam immer etwas dazwischen. Einmal hatte sie für längere Zeit aufgehört, aber
nachdem sie eine Freundin und Kollegin durch die Gefahren ihres Berufs verloren
hatte und selbst dem Tod nah gewesen war, hatte sie das Nikotin wieder mit
offenen Armen begrüßt wie einen
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