McDermid, Val
geschnittenes Kostüm, dessen enger
Rock ihre noch immer wohlgeformten Beine erkennen ließ. Aber die Falten im
Gesicht, die ihr verkniffenes Wesen verraten hatten, schienen geglättet.
Botox, vermutete Carol und fragte sich wieder einmal, wie die Eitelkeit eine
Frau davon überzeugen konnte, sich Gift ins Gesicht spritzen zu lassen. »Jemand
von der Polizei möchte Sie sprechen«, sagte Bethany, ängstlich wie eine
ältliche Ladendiebin, die sich vom Detektiv hatte erwischen lassen.
Vanessas Mund kräuselte sich
zu einem verächtlichen Lächeln. »Das ist nicht die Polizei, Bethany. Es ist
die Freundin meines Sohnes. Da braucht man sich nicht zu sorgen.« Auf dem
falschen Fuß erwischt, suchte Carol vergebens nach einer Antwort. Als Vanessa
ihr Unbehagen wahrnahm, fuhr sie fort: »Kommen Sie rein, Carol. Lassen Sie uns
Familienangelegenheiten nicht vor dem Personal besprechen.« Bethany schien
erleichtert. Dankbar, dass es ihr erspart geblieben war, ins Fettnäpfchen zu
treten, dachte Carol und folgte Vanessa durch die Tür in ein Großraumbüro, in
dem offensichtlich überall konzentriert gearbeitet wurde. Sie sah im ganzen
Raum keinen einzigen Mann, und keine der Frauen schaute auch nur von ihrem
Computer oder während ihres Telefongesprächs auf, als sie vorbeigingen.
Vanessas Büro lag am hinteren Ende des Raums. Es war kleiner und bescheidener,
als Carol erwartet hatte. Die einzige Spur von Luxus war ein elektrisches
Massagekissen, das am Stuhl hinter dem Schreibtisch befestigt war.
»Ich bin nicht Tonys
Freundin«, erklärte Carol, als Vanessa die Tür hinter ihr schloss.
Vanessa seufzte. »Natürlich
nicht. Umso bedauerlicher.« Sie ging an Carol vorbei, setzte sich auf ihrem
Stuhl zurecht und wies auf einen unbequemen Besucherstuhl ihr gegenüber. »Tun
wir doch nicht so, als mögen wir einander, Carol. Was führt Sie her?«
»Edmund Arthur Blythe.« Bei
diesem Namen presste Vanessa die Lippen aufeinander und kniff die Augen
zusammen. Unerschrocken fuhr Carol fort. »Tony will mehr über ihn wissen. Wie
Sie beide sich kennengelernt haben, was er in Halifax gemacht hat, solche
Dinge.«
»Nein, das tut er nicht. Sie
möchten es vielleicht wissen, aber Tony hat kein Interesse. Er wäre sowieso
besser dran, wenn er sich überhaupt nicht eingemischt hätte. Hätte man ihn
Eddies Anwesen auf mich überschreiben lassen, wäre es das Beste für ihn
gewesen.« Vanessa straffte die Schultern und faltete die Hände auf ihrem Schreibtisch.
»Mal abgesehen von der
Kleinigkeit von - was - einer halben Million oder so?«
Vanessa stieß ein Geräusch
aus, das einem Lachen glich. »Wenn Sie denken, mein Sohn macht sich was aus
Geld, dann wissen Sie viel weniger über ihn, als ich Ihnen zugetraut hätte.
Glauben Sie mir, dass Sie Ihre Nase in unsere Angelegenheiten stecken, hat für
Tony nur zu Kummer geführt. Sie haben keine Ahnung, was ihn angeht. Was immer
er Ihnen gesagt haben mag, ich allein weiß, was für ihn am besten ist, weil ich
weiß, wie er tickt. Ich habe ihn großgezogen, nicht Sie.« Sie stand auf. »Nun,
wenn das alles ist, was Sie wollten, dann, meine ich, ist es an der Zeit für
Sie, Leine zu ziehen.«
»Warum wollen Sie nicht
darüber reden? Es liegt so lange zurück. Jetzt kann es Ihnen doch egal sein.
In meiner Wertschätzung können Sie sowieso nicht mehr tiefer sinken. Was ist
das große Geheimnis? Tony verdient es zu wissen, warum sein Vater nicht
hiergeblieben ist.«
»Und ich verdiene meine
Privatsphäre. Dieses Gespräch ist zu Ende, Carol.« Vanessa ging an ihr vorbei
und riss die Tür auf. »Nächstes Mal, wenn Sie herkommen, sollten Sie besser
einen Durchsuchungsbefehl dabeihaben.« Wütend und frustriert ging Carol mit
hoch erhobenem Kopf an Vanessa vorbei. Eine demütigende Zeitverschwendung war
das gewesen. Aber als Carol ihre Autotür zuknallte, schwor sie sich, dass
Vanessa Hill sie nicht schlagen würde. Jetzt hatte sie einen zusätzlichen
Ansporn für die Klärung von Edmund Arthur Blythes Geschichte. Sie würde es
nicht nur tun, um Tony zu helfen, sondern auch, um seine Mutter zu ärgern. Im
Moment war es schwierig zu sagen, welches der stärkere Impuls war.
12
Vielleicht wäre es sinnvoller
gewesen, den Zug nach Worcester zu nehmen. Er hätte mehr Zeit gehabt, die
Fallakten noch einmal durchzulesen. Die Möglichkeit, frisch anzukommen, statt
entnervt von der Bewältigung des Autobahnlabyrinths um Birmingham herum.
Normalerweise hätte Tony gar nicht erst darüber
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