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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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folgte und sie ebenfalls auszog. Als er hinter ihr über den Flur tapste und barfuß die Bibliothek betrat, war er sich wie ein Idiot vorgekommen und hatte nur noch daran gedacht, möglichst rasch wieder zu verschwinden. Schließlich konnte er durch die Küche entkommen und hatte Danny Hardman zum Vordereingang geschickt, um ihm Schuhe und Strümpfe zu holen.
Cecilia hätte bestimmt niemals diese Abhandlung aus dem achtzehnten Jahrhundert über die Hydraulik von Versailles gelesen, in der ein Däne auf Latein das Genie von Le Nôtre pries. Mit Hilfe eines Wörterbuches hatte Robbie die ersten fünf Seiten an einem Vormittag übersetzt, um dann zu kapitulieren und sich mit den Illustrationen zu begnügen. Es war wohl kaum ihre Art Buch, eigentlich war es niemandes Buch, doch hatte sie es ihm vom Bibliothekstreppchen heruntergereicht, also mußten irgendwo auf dem Einband noch ihre Fingerabdrücke sein. Ganz gegen seinen Willen hob er das Buch an die Nase und schnupperte daran. Staub, altes Papier, Seifengeruch an seinen Händen, doch nichts, was an sie erinnerte. Wie hatte es ihn erwischt, wie war er in diesen fortgeschrittenen Zustand der Fetischisierung eines Liebesobjektes geraten? Gewiß hatte Freud in seinen Drei Abhandlungen über Sexualtheorie so manches dazu zu sagen. Ebenso wie Keats, Shakespeare und Petrarca und all die anderen, selbst in Chaucers Romaunt of the Rose stand etwas darüber. Drei Jahre lang hatte er nüchtern die Symptome studiert, hatte sie bloß für literarische Konventionen gehalten, doch wie ein Höfling mit Halskrause und Hutfeder an den Rand des Waldes trat, um sinnend ein fallen gelassenes Liebespfand zu betrachten, so verehrte er nun ihre flüchtigen Spuren – kein Taschentuch, sondern bloß Fingerabdrücke! – und suhlte sich im Ingrimm seiner Herzensdame. Und dennoch vergaß er den Durchschlag nicht, als er ein Blatt Papier in die Schreibmaschine spannte. Er tippte Datum und Anrede und hob gleich mit einer Entschuldigung für sein »tolpatschiges und unbedachtes Benehmen« an. Dann hielt er inne. Sollte er ihr seine Gefühle offenbaren und wenn ja, wie weit sollte er gehen?
Falls es eine Entschuldigung geben kann, vermag ich nur zu sagen, daß mir auffiel, wie leichtsinnig mir in letzter Zeit in Deiner Gegenwart zumute ist. Ich meine, schließlich bin ich noch nie zuvor barfuß in ein fremdes Haus gegangen. Es muß wohl an der Hitze liegen!
Wie fadenscheinig er klang, dieser vorgeschützte leichte Ton. Er führte sich wie ein Mann mit akuter Tb auf, der tat, als habe er nur eine Erkältung. Zweimal riß er an dem Bügel für den Wagenrücklauf und schrieb diesmal: Es kann kaum als Entschuldigung gelten, ich weiß, aber in letzter Zeit scheine ich in Deiner Nähe schrecklich leichtsinnig zu werden. Was habe ich mir nur dabei gedacht, barfuß ins Haus zu gehen? Und habe ich je zuvor den Rand einer Vase abgebrochen? Er ließ die Hände auf den Tasten ruhen und widerstand dem Drang, noch einmal ihren Namen zu tippen. Ich glaub, Cee, es lag nicht an der Hitze! Nun war das Launige dem Melodram gewichen, womöglich gar der Wehleidigkeit. Rhetorische Fragen hatten etwas Klebriges an sich, und das Ausrufezeichen war stets eine willkommene Zuflucht für jene, die schreien mußten, um sich verständlich zu machen. Eine solche Zeichensetzung verzieh er nur seiner Mutter, die in ihren Briefen ein gutes Bonmot mit einer Reihe von fünf Ausrufezeichen markierte. Er drehte die Walze und kreuzte das Satzzeichen mit einem »x« wieder aus. Ich glaub, Cee, es lag nicht an der Hitze. Den Humor war er damit los, dafür klang es jetzt nach Selbstmitleid. Das Rufzeichen mußte wieder her. Offenbar sorgte es nicht bloß für eine gewisse Lautstärke.
Er spielte noch eine weitere Viertelstunde mit den Sätzen, dann spannte er ein neues Blatt ein und tippte den Text ins reine. Die entscheidenden Zeilen lauteten nun: Barfuß ins Haus zu tapsen, die antike Vase zu zerbrechen – es wäre nur allzu verständlich, wenn Du mich für verrückt hieltest. In Wahrheit aber fühle ich mich in Deiner Gegenwart ziemlich dumm und tölpelhaft, Cee, und ich glaube nicht, daß es an der Hitze liegt! Kannst Du mir verzeihen ? Robbie. Den Stuhl nach hinten gekippt träumte er einige Augenblicke vor sich hin, dachte an die Seiten, bei denen sich neuerdings die Anatomy stets von allein aufzuschlagen schien, ließ sich dann nach vorn fallen und tippte, ehe er sich zurückhalten konnte: In meinen Träumen küsse ich Deine

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