McJesus
müssen.
Ironischerweise war es jedoch Scott, der wie ein reuiger Sünder zur Beichte ging – in den vergangenen drei Wochen sage und schreibe sechzehnmal. Bei jeder Beichte trödelte er herum, enthüllte sein unvergleichliches Gefühlsleben, bis er feststellte, dass der Priester nicht Dan war. Und nicht alle Priester waren geduldig und bereit, Trost zu spenden. Ein besonders unwirscher Geistlicher schnitt ihm nach zwei Minuten das Wort ab.
»Ad eins«, sagte der Priester, »haben Sie nichts erwähnt, was als Sünde gilt. Ad zwei: Wenn Sie eine gottverdammte Therapie brauchen, gehen Sie zu einem Seelenklempner für dreihundert Dollar die Stunde, aber verplempern Sie nicht meine Zeit!«
Jeden Tag nach der Arbeit tat Scott dasselbe: Er stieg in sein Auto und schlug seine Bibel auf, in deren ausgehöhltem Inneren neben dem Revolver eine zusammengefaltete Seite aus einem Telefonbuch lag. Scott hatte bereits die meisten Kirchen abgeklappert, die unter »Katholisch« aufgeführt waren. Jetzt waren nur noch neun im Valley übrig. St. Richard war die nächste. Scott kannte diese Kirche von früher. Sie lag nur ein kurzes Stück von seiner alten Schule entfernt.
Scott setzte sich in den Wagen und fuhr Richtung Westen. Nach ungefähr hundert Metern stand er im Stau. Verärgert schlug er mit den Händen auf das Lenkrad. Dann stellte er einen Verkehrssender im Radio ein. »Auf dem Ventura-Freeway Richtung Westen haben wir eine Meile Stau wegen eines kopflosen Torsos auf der Überholspur«, sagte der Sprecher mit einem Glucksen in der Stimme. »Mit Schaulustigen ist zu rechnen.«
Scott wurde zunehmend unruhiger, während er mit einem Tempo von einer halben Meile pro Stunde auf dem Freeway dahinkroch. Er überlegte, was er – vorausgesetzt, er schaffte es heute noch bis zu St. Richard – zu dem Priester sagen würde, sofern dieser Priester nicht Dan war. Er sehnte sich danach, im behaglichen Dunkel des Beichtstuhls von seinen verworrenen Angelegenheiten zu sprechen, um sich noch mehr von diesem Zeug von der Seele zu reden, bevor es ihn erdrückte. Er brauchte wirklich nur jemanden, mit dem er reden konnte.
Er schob eine seiner Motivationskassetten in den Recorder und hörte zu. Er fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis sich der Stau auflöste. Plötzlich drang ein fürchterliches Geräusch aus den Lautsprechern, als sich das billige Tape im Recorder verhedderte. Scott drückte hysterisch auf die Eject-Taste, aber es war zu spät. Das Band hatte sich bereits um die Tonspule gewickelt und war ruiniert. Wütend zerrte Scott das Ding aus dem Kassettenschacht und warf es aus dem Fenster.
Plötzlich fühlte er sich sehr klein. Von allen Seiten war er von riesigen Fahrzeugen umgeben, die Abgase ausstießen und nicht erneuerbare Ressourcen verschwendeten. Hinter ihm ragte ein roter Lincoln Navigator auf. Rechts hatte sich ein weißer Chevy Silverado neben ihn geschoben, und links bedrängte ihn ein blauer Ford Excursion. Vorne versperrte ihm ein schwarzer GMC Yukon die Aussicht. Als er allmählich Platzangst bekam, reckte er den Hals und versuchte, an dem unnötig großen Fahrzeug vor ihm vorbeizusehen. Er hoffte, etwas Licht am Ende des Tunnels zu entdecken, aber das Einzige, was er außer einer meilenlangen Reihe von Bremslichtern sah, war eine große Reklametafel mit dem grinsenden Fujioka-Zen-Meister, die ihm ein More is more entgegenschrie.
Spätestens seit der Einrichtung der Propagandakongregation im Jahr 1622 haben die Christen systematisch überall auf der Welt missioniert. Afrika mit seinen so genannten primitiven Religionen war lange ein beliebter Kontinent für die Evangelisation, und die Christen scheinen hier gute Arbeit geleistet zu haben. Natürlich lässt sich von außen gesehen schlecht sagen, ob sich die Eingeborenen alle Grundsätze der Kirche zu Eigen machten, aber dass sie keine empfängnisverhütenden Mittel benützen sollen, scheinen sie weitgehend akzeptiert zu haben.
So weit das Auge an diesem besonderen Ort in Afrika reicht, blickt es auf neue Gläubige. Sie verhungern alle, aber gottlob im christlichen Glauben. Und irgendwo in dieser Masse der Bekehrten ist der wohlgenährte grobe Kerl, der Dritte-Welt-Mann, der einen Auftrag zu erledigen hat. Es nervt ihn, dass er bei vierzig Grad Hitze Botengänge machen muss. Deshalb lässt er seine schlechte Laune an jedem aus, der ihm in die Quere kommt. Im Augenblick bahnt er sich tretend und schubsend und mit einem Taschentuch vor dem Mund
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