McJesus
gegenüberliegenden Seite des Saals mit einem Mann, der ein großes Tier im Wohlfahrtszirkus war. Als sie sah, dass Schwester Peg zu ihr hinüberschaute, lächelte sie und nickte ihr freundlich zu. Dann wandte sie sich wieder dem Herrn zu, um zu Ende zu führen, worüber sie gerade gesprochen hatte. »Die Frau ist mit einer CNN-Nachrichten-Crew gekommen. Was sollte ich machen? Schlechte Publicity ist nicht unbedingt das, was wir brauchen.«
Während Schwester Peg die beste Mahlzeit ihres Lebens verdrückte, beugte sich ihr Freund, der Kameramann, über ihre Schulter und dankte ihr, dass sie ihn angerufen hatte. »Das ist ein tolles Ding«, sagte er.
Schwester Peg tätschelte freundlich seine Hand. »Ich weiß deine Hilfe zu schätzen. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
Der Kameramann zwinkerte ihr zu. »Ich glaube, es war der CNN-Sticker, der’s geschafft hat«, sagte er. »Letztes Jahr bin ich mit dem Ding in die Emmy-Verleihung gekommen.«
Schwester Peg musste lachen. Ihr Freund war Laufbursche bei einer Kabel-TV-Verteilerstation in Van Nuys. Als Peg ihn wegen ihrer Idee anrief, versah er die Betacam einfach mit dem CNN-Sticker und überredete seinen Zimmergenossen, für ein kostenloses Abendessen den Tonmann zu machen. Schwester Peg war im Augenblick sehr zufrieden mit sich. Solche Tricks hatten ihr schon immer Spaß gemacht. Und dass es unmoralisch war, bereitete ihr keinerlei Kopfzerbrechen. Diesen Vorwurf nahm sie gern auf sich, wenn es darum ging, für ihre Leutchen etwas zu essen zu besorgen. Aber sie wusste natürlich, dass das hier keine Lösung auf Dauer war. Leider kam sie mit ihren Bemühungen um eine Langzeitlösung nicht weiter, weil ihre Beihilfeanträge und Gesuche um Unterstützung aus öffentlichen Mitteln immer wieder abgeschmettert wurden. Da die Zwangsräumung immer näher rückte, dachte Schwester Peg schon manchmal daran, es auf radikalere Weise zu versuchen; aber sie hoffte immer noch, finanzielle Hilfe zu finden, ohne ihr schweres Geschütz auffahren zu müssen.
Pater Michael blickt zum Himmel, aber nicht, um zu beten. Er wünscht sich, es wäre weniger heiß. Sein Vertrauen schwindet von Stunde zu Stunde. Das Geld und die so dringend benötigten Lebensmittel verschwinden bei den Rebellen. Er hat Briefe an seine Vorgesetzten geschrieben in der Hoffnung, dass etwas dagegen unternommen wird. Man antwortet ihm, dass jemand von der Kirche die Sache vor Ort untersuchen wird. Drei Monate vergehen, und es geschieht nichts.
Es ist ein Freitag. Pater Michael hat seit 48 Stunden nichts gegessen und nichts getrunken. Er ist schwach und desorientiert, während er einigen jüngst Konvertierten die Letzte Ölung spendet. Als er sich aufrichtet und den Rücken streckt, sieht er am Horizont Bewegung. Es ist ein kleiner Konvoi, der sich auf ihn zubewegt. Trotz der Entfernung kann Pater Michael erkennen, dass es weder ein Militär- noch ein Hilfskonvoi ist. Genaueres lässt sich wegen des Staubs erst aus größerer Nähe erkennen. Also wartet Pater Michael und hofft, dass Hilfe naht.
Die Fahrer hupen. Die Flüchtlinge räumen den Weg, einige stolpern, andere müssen gezogen werden. Pater Michael sieht verwirrt zu, wie sich die Flüchtlinge aufrappeln und den Wagen zuwinken, als handele es sich um eine Parade, was in gewisser Weise sogar richtig ist.
Das letzte Fahrzeug des Konvois ist das merkwürdigste, das Pater Michael je gesehen hat. Es ist ein Range Rover, dessen rückwärtiger Teil so umgebaut wurde, dass er wie eine überdimensionierte Telefonzelle aussieht oder auch wie ein großes Terrarium. Das Auto und der Rahmen des Plexiglascontainers sind in einem besonderen Elfenbeinton lackiert. In der Kabine, auf einem luxuriösen, mit cremefarbenem Leder gepolsterten Ohrensessel, sitzt Kardinal Cooper. Er trägt ein alabasterfarbenes, mit Seidenschnur besetztes Messgewand. Über seine Schultern drapiert ist ein kurzer, mit glitzernder Goldstickerei verzierter Umhang, und darüber hängt an einer eleganten silbernen Kette ein juwelenbesetztes Kruzifix. Zur Krönung des Ganzen trägt der Kardinal eine Mitra aus perlmuttweißem Brokat, für die die Höhe der Kabine gerade ausreicht. Eigentlich fehlt nur noch die Federboa, als er den hungernden Flüchtlingen wie eine Maiskönigin beim Erntefestumzug zuwinkt. Pater Michael denkt, er halluziniere.
Das Fahrzeug des Kardinals hält vor Pater Michael, der hustend im aufgewirbelten Staub durch das getönte Plexiglas blickt.
Neben dem Ledersessel
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