McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
intensiveren Blick. Es trug einen Triangle-S Brand. Die Flanken waren von scharfen Sporenrädern aufgerissen. Das Pferd bot einen erbarmenswerten Eindruck. Der Texaner tätschelte den Hals des Tieres. »Arme Kreatur«, murmelte er.
Der Vierbeiner prustete mit geblähten Nüstern.
Der Kopfgeldjäger wandte sich dem Haus zu. Unter seinen harten Ledersohlen mahlte der Sand, leise klirrten seine Sporen, das Leder seiner alten, brüchigen Stiefel knarrte. Die Tür ließ sich öffnen und McQuade betrat die Küche. Was er sah, drohte ihm das Blut in den Adern gerinnen zu lassen. Er staute den Atem.
Am Boden lag eine Frau - allenfalls dreißig Jahre alt - auf dem Rücken. Sie war tot. Eine Kugel hatte sie ins Herz getroffen. Die weit aufgerissenen, gebrochenen Augen spiegelten die letzten entsetzlichen Eindrücke ihres Lebens wider. Dort, wo ihr Kleid mit Blut vollgesaugt war, krochen Fliegen auf ihr herum.
Ein eisiger Hauch schien den Kopfgeldjäger zu streifen. Er verspürte eine jähe Trockenheit in der Kehle. Er atmete er tief durch, als hätte er sich damit von der fast schmerzlichen Anspannung befreien können, die sich seiner bemächtigt hatte. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Ein kalter Schauer rann ihm den Rücken hinunter.
Er ging in den angrenzenden Raum. Es war das Schlafzimmer. Da standen zwei aus ungehobelten Brettern grob zusammen gezimmerte Betten, ein Schrank und – eine Wiege. McQuade war wie elektrisiert. Er ging hin, sein Blick fiel hinein und erfasste einen schlafenden Säugling.
»Gütiger Gott«, entrang es sich dem hart gesottenen Mann. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor.
Er kehrte in die Küche zurück. Der Blutfleck auf dem Kleid der Frau war lediglich an den Rändern eingetrocknet. Die Tat musste nach McQuades Schätzung vor einer Stunde geschehen sein.
Wo ist der Mann dieser Frau?, durchfuhr es den Kopfgeldjäger. Sie hat doch hier nicht alleine mit ihrem Kind gelebt.
Eine düstere Ahnung kam auf ihn zu.
Er verließ das Haus, schaute in die Schuppen und betrat schließlich den Stall. In den Boxen standen zwei Maultiere. Der Farmer lag neben einer Futterkiste auf dem Rücken. Er hatte die Augen geöffnet, in ihnen wühlte der Schmerz. Sein Atem ging rasselnd. Blutiger Speichel netzte seine Lippen. Die Kugel steckte in seiner rechten Brustseite. McQuade gab sich keinen Illusionen hin. Dieser Mann war dem Tod näher als dem Leben.
Der Kopfgeldjäger ging auf das linke Knie nieder. »Kannst du mich verstehen?«
Die Lider des Mannes zuckten. »Was – ist – mit – Kath?«, entrang es sich ihm abgehackt, und das Sprechen bereitete ihm Mühe.
Ohne auf die Frage einzugehen fragte McQuade: »Wer hat das getan?«
»Meine – meine kleine Tochter«, röchelte der Verwundete. »Sie – sie …«
»Es geht ihr gut«, beruhigte McQuade den Sterbenden.
Die Lippen des Mannes bewegten sich. Die Worte, die sie formulierten, konnte McQuade nicht verstehen. Plötzlich aber wurde seine Stimme klarer. »… sein Pferd lahmte, ich – ich sollte ihm eines von meinen beiden Tieren geben.« Der Verwundete atmete keuchend. Seine Brust hob und senkte sich unter den harten Atemzügen. Seine Lippen zuckten. Kaum verständlich floss es über sie: »Ich – ich habe abgelehnt. Er – er zog den Revolver …«
Die Erinnerung überwältigte den Sterbenden. Ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, stieg aus seiner Kehle.
McQuade holte ein Blatt Papier aus der Tasche seines braunen, zerschlissenen Staubmantels, faltete es auseinander und hielt es dem Farmer vor die fiebrigen Augen. »War es dieser Mann?«
»Er – er war um die dreißig«, kam es stoßweise aus dem Mund des Verwundeten. »Ein großer Mann, dunkle Haare, bärtig, eine – eine helle Narbe auf der Wange. Was – ist – mit – Kath?«
McQuade richtete sich auf. Die Verzweiflung, die quälende Angst, die Panik in den Augen des Verwundeten trafen ihn wie spitziger Stahl. Er fühlte sich hilflos. Mechanisch, ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden, faltete er den Steckbrief wieder zusammen und steckte ihn in die Manteltasche. Dann verließ er den Stall, holte Verbandszeug aus seiner Satteltasche und kehrte damit zu dem verwundeten Farmer zurück. Als sich der Texaner über ihn beugte, musste er feststellen, dass der Mann gestorben war. Er schluckte krampfhaft. Solche Schicksale gingen ihm nahe. Den Kloß, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, vermochte er nicht hinunterzuwürgen.
McQuade verließ den Stall
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