McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
Indian Wells steht eine Wanderherde. Der Besitzer heißt Jack Shannon. Shannon lebt seit zwei Wochen in der Stadt. Wusste man das hier auf der Ranch?«
Brad Dooley hakte seine Daumen in den Hosenbund und nickte. »Yeah«, dehnte er, »Shannon war vor einigen Tagen hier. Er will mit seiner Herde nach Osten und fragte Adam, ob er über das Weideland der Bar-S ziehen darf. Allerdings haben unsere Rinder bei dieser Trockenheit selbst kaum genug Gras. Darum lehnte Adam ab.« Plötzlich stutzte der Cowboy. Er schob das Kinn vor und über seine Lippen brach es: »Sollte etwa Shannon den Boss auf dem Gewissen haben? Großer Gott! Wenn das so wäre …« Der Cowboy griff sich mit der rechten Hand an die Stirn und stöhnte. »Kann ein derart nichtiger Anlass Grund für einen brutalen Mord sein?«
McQuade hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und erwiderte: »Kain hat seinen Bruder Abel aus einem noch viel banaleren Anlass erschlagen. Es sind schon Männer wegen eines Dollars, den sie in der Tasche trugen, ermordet worden.«
»Wir – wir müssen den Sheriff darauf hinweisen«, ächzte Brad Dooley.
McQuade saß ab, nahm die Satteltaschen und zog das Gewehr aus dem Scabbard. »Ich bleibe die Nacht über hier. Im Bunkhouse ist sicher ein Bett für mich frei. Sobald wir morgen den Rancher unter die Erde gebracht haben, reite ich weiter. Sei so gut, Dooley, und versorge mein Pferd. Ich habe Hunger und Mrs. Seymour wird mir wohl ein paar Eier in die Pfanne schlagen.«
»Geh nur hinein, McQuade«, gab der Cowboy zu verstehen. »Ich kümmere mich um deinen Gaul.«
Er nahm das Pferd beim Kopfgeschirr und führte es zum Tränketrog. McQuade ging zum Ranchhaus, klopfte an die grob gezimmerte Tür und öffnete sie. Toby saß am Fußboden und spielte mit ein paar Holzklötzen, die sein Vater gesägt und farbig angestrichen hatte. Jetzt hielt er inne und schaute zu dem großen Mann in die Höhe, der mit den tagealten Bartstoppeln im Gesicht, den schulterlangen, strähnigen Haaren, die unter einem schwarzen Stetson hervorquollen, dem zerschlissenen Staubmantel und den brüchigen, verstaubten Stiefeln an seinen Füßen nicht gerade vertrauenerweckend aussah.
June Seymour war dabei, im Herd ein Feuer anzuschüren. Sie drehte den Kopf und heftete ihren unergründlichen Blick auf das Gesicht des Kopfgeldjägers. Die Frau war krankhaft bleich, unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, die feinen Linien, die sich von ihren Nasenflügeln zu ihren Mundwinkel gezogen hatten, schienen sich vertieft zu haben.
McQuade schritt zum Tisch, setzte sich und sagte: »Der Sheriff ermittelt. Er hat mir von einem Mann namens Jack Shannon berichtet.«
June Seymour wandte sich wieder dem Ofen zu, riss ein Schwefelholz an und hielt die Flamme an einen dünnen Kienspan, der im nächsten Moment Feuer fing. Die Flamme flackerte und rußte, und als der Span richtig brannte, schob ihn die Frau unter das Holz, das sie in das Feuerloch geschlichtet hatte. Dann richtete sie sich auf und nahm Front zu McQuade ein. »Ich kenne Shannon«, begann sie. »Er wollte seine Herde über Bar-S-Weide treiben. Adam untersagte es ihm. Shannon war einsichtig und akzeptierte den Grund, aus dem Adam sein Ansinnen ablehnte. Das Gras reicht kaum für unsere Rinder. Ja, Shannon zeigte sich ausgesprochen verständnisvoll und entschuldigte sich sogar dafür, dass er mit diesem Begehren überhaupt zu Adam gekommen ist.«
»Ich habe Hunger, Ma'am«, murmelte McQuade. »Wenn Sie …«
»Natürlich«, murmelte sie mit lahmer, tonloser Stimme. »Seien Sie mein Gast, Mister McQuade. Werden Sie die Nacht über auf der Ranch bleiben?«
»Wenn Sie es gestatten, Ma'am.«
»Sie sind herzlich willkommen.«
Ein seltsames Gefühl ergriff von dem stahlharten, kompromisslosen Mann Besitz. Er richtete seinen Blick auf den blonden Jungen und spürte es warm in sich aufsteigen.
*
Am Morgen hoben die Cowboys der Bar-S-Ranch hinter dem Haus ein Grab aus. Dooley hatte die beiden Männer der Herdenwache am Tag zuvor vom Tod Adam Seymours in Kenntnis gesetzt. Am Abend waren sie auf die Ranch gekommen.
Adam Seymour war in der Wohnstube des Ranchhauses aufgebahrt. Kerzen brannten, es roch nach Wachs. June trug ein schwarzes Kleid, dessen Saum bis zum Boden reichte. Mit erloschenem Blick starrte sie in das bleiche Gesicht des Toten. Ihre Hände lagen auf den schmalen Schultern Tobys, der leise weinte.
Im Raum befanden sich auch McQuade, Sheriff Jesse Ballard und der Undertaker aus
Weitere Kostenlose Bücher