McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
verschoss.
McQuade hatte etwa eine Meile zurückgelegt, als bei ihm das Gefühl siegte. Seufzend zügelte er das Pferd. Sein Verstand bäumte sich ein letztes Mal auf, sekundenlang trug er schwer an seiner Unschlüssigkeit, dann verließ er die Route nach Norden und lenkte das Pferd in die Richtung, in der er die Bar-S wusste.
Anderthalb Stunden später ritt er auf den Hof der Ranch. Brad Dooley erschien im Stalltor, beschattete sich die Augen mit der flachen Hand, und lief dann McQuade entgegen. »Ich denke, du wolltest den Landstrich verlassen, McQuade«, stieß Dooley hervor, als er mit dem Kopfgeldjäger zusammentraf und das Pferd beim Kopfgeschirr nahm. Sein fragender Blick hing an McQuades Lippen.
»Ich habe es mir anders überlegt, Dooley«, versetzte der Texaner. »Meiner Meinung nach kommt von Shannon noch etwas. Und ich …«
McQuade brach ab.
»Warum sprichst du den Satz nicht zu Ende?«
Der Kopfgeldjäger winkte ab. »Es ist nicht so wichtig.«
Dooley lächelte kantig. »Ich glaube, ich weiß, was du sagen wolltest, McQuade. Du wolltest sagen, dass du es mit deinem Gewissen nicht vereinbaren konntest, einfach fortzureiten und June samt ihrem kleinen Sohn den Wölfen zu überlassen.«
McQuade stieg vom Pferd und zog das Gewehr aus dem Scabbard. »Bring mein Pferd in den Stall, Dooley«, bat der Kopfgeldjäger. Er drehte den Kopf etwas herum und sah June Seymour auf die Veranda des Ranchhauses treten. Am Geländer blieb sie stehen.
»Ich habe befürchtet, dass sie an Adams Tod zerbricht«, flüsterte Brad Dooley. »Aber es ist wohl so, dass sie sein Tod stark gemacht hat.«
McQuade nickte, dann schritt er zum Haupthaus, hielt zwei Schritte vor der Treppe zur Veranda an und sagte: »Auch der Sheriff meint, dass Shannon nicht aufgibt. Ballard sorgt sich um Sie und Toby, Ma'am. Darum habe ich beschlossen, zu bleiben und auf Sie beide aufzupassen.«
»Ihnen ist klar, dass Sie möglicherweise Ihre Haut zu Markte tragen?« Es klang sachlich und klar.
McQuade nickte und ihm entging nicht der Ausdruck von Dankbarkeit in der Tiefe ihrer Augen. »Ein Mann muss für etwas gut sein auf der Welt«, murmelte er. »Er muss für seine Überzeugung eintreten. Tut er es nicht, taugen entweder er oder seine Überzeugung nichts.«
»Sie, McQuade, sind ein guter Mann«, sagte June Seymour, und sie sprach es im Brustton der Überzeugung. »Männer wie Sie sind rar auf dieser Welt. Möge es Ihnen der Himmel vergelten …«
*
Es war Nacht. McQuade hatte bis gegen 22 Uhr geschlafen. Und jetzt hielt er Wache. Er hatte sich im Schlagschatten des Pferdestalles auf den Boden gesetzt, mit dem Rücken an die Stallwand gelehnt, die Beine angezogen und die Absätze seiner Stiefel gegen den Boden gestemmt. Das schussbereite Gewehr lehnte neben ihm an der Stallwand.
Die Geräusche der Nacht umgaben den Kopfgeldjäger; das Säuseln des Windes, das Zirpen der Grillen, das Rascheln des Nachtwindes in den trockenen Blättern der Büsche und Bäume. Fledermäuse zogen lautlos ihre Bahnen auf der Jagd nach Beute. In der Ferne war der schrille, durchdringende Schrei eines Kauzes zu hören.
Am Himmel zogen dunkle Wolken. Manchmal riss die Wolkendecke auf, dann waren flimmernde Sterne zu sehen und die Dunkelheit lichtete sich ein wenig. Wolkenschatten glitten über das Land.
McQuade rechnete schon in dieser Nacht mit einer bösen Überraschung. Er hatte keine Ahnung, wie sie aussehen würde. Doch er sagte sich, dass Shannon eine Aktion starten würde, die der Ranch schaden sollte. Eine Taktik, auf Terror aufgebaut, die June Seymour entnerven sollte, so sehr, dass sie aufgab.
In den Augen des Kopfgeldjägers war Jack Shannon ein Wolf im Schafspelz, zusammengesetzt aus Niedertracht, Skrupellosigkeit und rücksichtsloser Brutalität. Und er war ein eiskalter Mörder. Seine Beweggründe waren ausgesprochen niedrig anzusetzen. Er, McQuade, wollte alles daransetzen, damit Shannon für den Mord an Adam Seymour zur Rechenschaft gezogen wurde – Shannon und seine Helfershelfer.
Drei – vier Stunden verrannen, der Texaner wappnete sich mit Geduld. Dann kam die Stunde, in der die Sterne verblassten und sich die Jäger der Nacht zur Ruhe begaben. Der Mond hing im Westen über den Bergen. Bald würde sich im Osten das erste Tageslicht über den Horizont schieben.
McQuade vernahm fernes Pochen. Er drehte das linke Ohr nach Westen und lauschte. Es waren dumpfe Hufschläge. Der Texaner erhob sich. In ihm war eine kalte Bereitschaft. Er
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