McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
Ihr Blick richtete sich auf das offene Grab. »Adams Vater hat diese Ranch aufgebaut, und zwar mit Schweiß und Blut. Adam wurde auf diesem Stück Land geboren. Er hat die Ranch vergrößert und sie war sein ganzer Stolz. Ich würde es als Verrat an ihm empfinden, wenn ich aufgäbe.«
Shannon verriet mit keiner Miene, was hinter seiner Stirn vorging. »Es wäre ein gutes Angebot, Ma'am«, setzte er noch einmal an. »Sie sollten darüber nachdenken.«
»In dieser Angelegenheit gibt es für mich nichts zu überlegen«, versetzte die Frau, und es klang entschieden und endgültig. »Ich werde die Ranch verwalten, bis Toby alt genug ist, um in die Fußtapfen seines Vaters und Großvaters zu treten.«
»Denken Sie trotzdem darüber nach, Mrs. Seymour«, empfahl ihr Shannon unbeirrt, nickte ihr zu, stülpte sich die Melone auf den Kopf und machte auf dem Absatz kehrt. Chuck Henders streifte McQuade noch einmal mit einem schnellen, abschätzenden Blick, dann schloss er sich Shannon an.
»Einen Moment, Shannon!«, rief der Sheriff. »Ich reite mit Ihnen.«
*
Mittag war vorbei, als McQuade vor dem Sheriff's Office in Indian Wells aus dem Sattel glitt. Als er den Zügel um den Haltebalken schlang, trat Sheriff Jesse Ballard auf den Vorbau. »Sie verlassen die Gegend, McQuade.« Es war keine Frage sondern eine Feststellung.
»Ich habe mich viel zu lange hier aufgehalten«, erwiderte der Kopfgeldjäger. »Perrigos Vorsprung hat sich um etwa vierundzwanzig Stunden vergrößert.«
Der Gesetzeshüter verzog den Mund und legte beide Hände auf das Geländer. »Ich habe Shannon eine Reihe von Fragen gestellt. Er und sein Revolvermann befanden sich, als der Mord geschah, bei Shannons Herde. Sie behaupten es zumindest.«
»Und die Cowboys, die die Herde bewachen, werden es bestätigen«, knurrte McQuade. »Ich denke, dass hinter dem Mord System steckt«, sprach er mit gesenkter Stimme weiter. »Als Seymour es ablehnte, Shannons Herde auf sein Land zu lassen, gebar Shannon die Idee, sich die Bar-S unter den Nagel zu reißen. Er war der Meinung, mit June Seymour leichtes Spiel zu haben. Also musste Adam Seymour aus dem Weg geräumt werden.«
»Ein schwerer Verdacht, McQuade. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn mich meine Menschenkenntnis nicht im Stich gelassen hat, dann schätze ich Shannon als einen Mann ein, der das, was er sich in den Kopf gesetzt hat, durchsetzt. Er verschafft seinem Willen Geltung, und zwar auf Biegen oder Brechen. Und er scheut vor nichts zurück. Shannon gehört zu der Sorte, der nichts heilig ist. Ich mache mir Sorgen.« Der Sheriff kratzte sich gedankenvoll am Hals. »Große Sorgen, McQuade. June Seymour und ihre drei Weidereiter haben Shannon und seinem Revolverschwinger nichts entgegenzusetzen, sollte Shannon Gewalt einsetzen, um ans Ziel zu kommen.«
»Das heißt, dass Sie gefordert sind, Sheriff.«
Die Mundwinkel Jesse Ballards sanken grimmig nach unten. »Ich kann die Bar-S nicht Tag und Nacht bewachen, McQuade.«
Der Kopfgeldjäger löste den Zügel vom Holm, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff nach dem Sattelhorn und zog sich mit einem Ruck in den alten, gebrochenen Sattel. »Sie tragen den Stern, Sheriff. Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten ist Ihr Job. Entlarven Sie den Mörder Adam Seymours. Wenn er hinter Schloss und Riegel sitzt, sind Sie auch Ihre große Sorge los.«
McQuade zog das Pferd um die rechte Hand und spornte es an. Er verließ die Stadt in nördliche Richtung. Die Hufe pochten und rissen kleine Staubwolken in die hitzeflirrende Luft. Kleine Stechmücken, vom süßlichen Schweißgeruch angelockt, setzten Pferd und Reiter zu.
Der Kopfgeldjäger ritt voll nagender Gedanken. Die Worte des Sheriffs geisterten unablässig durch seinen Verstand: June Seymour und ihre drei Weidereiter haben Shannon und seinem Revolverschwinger nichts entgegenzusetzen …
Konnte er, McQuade, die Augen verschließen und so tun, als ginge ihn das alles nichts an? Gefühl und Verstand lagen bei dem Texaner in zäher Zwietracht. Ein Zwiespalt war in ihm aufgebrochen. Der Verstand sagte ihm, dass er Cole Perrigo folgen und den Banditen unschädlich machen sollte. Das Gefühl aber gebot ihm, den Weg zur Bar-S unter die Hufe seines Pferdes zu nehmen und June Seymour und dem kleinen Toby zu helfen, sich auf der Ranch zu behaupten. Denn für McQuade stand fest, dass Shannon für den Mord an Adam Seymour die Verantwortung trug und dass Chuck Henders die tödliche Kugel
Weitere Kostenlose Bücher