McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
»Tot«, murmelte er und musterte das Gesicht des Leichnams. Er schätzte den Toten auf Mitte dreißig.
McQuade eiste seinen Blick von den erstarrten Zügen los und ging zu dem Pferd hin, das den Kopf in den Nacken warf und wieherte und dann vor dem Mann zurückwich. »Nur ruhig, mein Freund«, murmelte der Texaner, seine Hand schoss nach vorn, er erwischte das Kopfgeschirr und das Tier blieb prustend stehen. McQuade schaute sich das Brandzeichen an. Ein Querbalken, auf dem ein S saß. »Bar-S«, murmelte der Texaner. Er stapfte zu einem der Longhorns in der Nähe hin. Das Rind trug ebenfalls den Bar-S-Brand. Der Tote schien zu der Ranch zu gehören.
McQuade kehrte zu dem Pferd des Getöteten zurück, führte es zu der reglosen Gestalt hin und wuchtete diese quer über den Rücken des Tieres. Damit der Leichnam nicht herunterrutschen konnte, band er ihn am Sattel fest, dann stieg McQuade auf sein Pferd, schnappte sich den langen Zügel des anderen Tieres und ritt an.
Nach etwa einer halben Stunde stieß der Kopfgeldjäger auf einen steinigen Weg, der von Norden nach Südosten führte. Kurze Zeit war er unschlüssig, in welche Richtung er dem Weg folgen sollte, dann wandte er sich nach Südosten. Der Weg schlängelte sich zwischen den Hügeln hindurch, führte über Bodenwellen und durch Senken und als McQuade wieder einmal auf den Kamm einer Bodenerhebung ritt, sah er vor sich, am Ende einer weitläufigen Ebene, die Gebäude einer Ranch. Dahinter war ein lang gezogener Buschgürtel zu sehen. Der Kopfgeldjäger vermutete, dass er einen Creek säumte.
Das Pferd trug den Texaner über die grasige Ebene, und auch hier standen Longhorns mit dem Bar-S-Brand. Das Tier mit dem Toten trottete daneben her. Langsam rückten die Gebäude näher. Schließlich ritt McQuade zwischen zwei Schuppen hindurch auf den Ranchhof. Einige Hühner pickten auf der Suche nach Fressbarem in den Staub. In einem Stangencorral standen ein Dutzend Pferde. Gerade kam ein Mann aus einer Scheune. Er trug einen Ballen Heu. Jetzt hielt er ruckartig an, starrte dem Reiter entgegen, ließ das Heu fallen und setzte sich in Bewegung.
McQuade parierte das Pferd. Das Tier mit dem Toten hielt von selbst an. Der Kopfgeldjäger legte die Hände übereinander auf das Sattelhorn.
Der Mann, der näher kam, hatte nur Augen für die schlaffe Gestalt quer über dem Pferderücken. Er trat an sie heran, in seinen Augen wob das Entsetzen. Seine Mundwinkel zuckten. Fahrig strich er sich mit der rechten Hand über die Augen, als wollte er das Bild, das sich ihm bot, wegwischen. Dann entrang es sich ihm abgehackt und mit brüchiger Stimme: »Gütiger Gott, das ist Adam – Adam Seymour, mein Boss. Ist er … Ist er tot?«
Jetzt hatte sich der Blick des Mannes an McQuades Gesicht verkrallt. Zum Entsetzen hatte sich Fassungslosigkeit gesellt.
»So tot, wie ein Mann nur sein kann, der eine Kugel mitten ins Herz bekommen hat«, knurrte McQuade. »Er lag neben einem Bach, eine Reitstunde von hier. Ich hörte einen Schuss und bin dem Klang gefolgt.«
»Heiliger Rauch«, flüsterte der Cowboy ergriffen. »Daran wird June ganz sicher zerbrechen. Sie …«
Ein gellender Aufschrei voll innerer Not ließ den Mann abbrechen. McQuades Kopf zuckte herum. Unter der Tür des Ranchhauses stand eine Frau, die rechte Hand auf die Brust gepresst, mit der Linken sich an den Türstock stützend. Sie wankte …
*
June Seymours Tränen waren versiegt. Ihre Augen waren gerötet. Blicklos starrte sie vor sich hin. Für sie war eine Welt zusammengebrochen. Alles in ihr schien abgestorben zu sein. Auf ihrem Schoß saß der achtjährige Toby. Sein Vater war tot – ein niederträchtiger Meuchelmörder hatte seinem Leben ein jähes und brutales Ende bereitet.
McQuade verspürte Mitleid. Aber er konnte nichts tun, um den seelischen Schmerz, Trauer und Verzweiflung und die Schwermut der Frau und des Jungen zu lindern. Irgendwelche Bekenntnisse der Anteilnahme hätten nichts sagend und banal geklungen.
Der Cowboy stand an der Wand neben dem kleinen, unverglasten Fenster, durch das in schräger Bahn das Sonnenlicht fiel und ein gelbes Viereck auf den Fußboden zeichnete. In seinem Gesicht arbeitete es, sein ständiges Zwinkern war Zeichen seiner Nervosität. Ununterbrochen strich er sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn.
Nur das leise, monotone Ticken des Regulators an der Wand war zu vernehmen. Ohne die Uhr wäre bei McQuade der Eindruck entstanden, dass die Zeit still
Weitere Kostenlose Bücher