McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
schnappte sich das Gewehr und hielt es mit beiden Händen schräg vor der Brust. Die Mündung wies zum Himmel. Das Geräusch versank plötzlich in der Stille. McQuade setzte sich in Bewegung.
Mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend glitt er an der Längsseite des Stalles entlang, lief geduckt über ein Stück freie Fläche, erreichte eine Scheune und blieb, hart an die Wand geschmiegt, stehen.
Einige Sekunden verrannen, dann huschte eine schemenhafte Gestalt heran. Der Schemen nahm Formen an, McQuade konnte das leise Klirren von Sporen hören, das Schaben von Hosenstoff, das Knarren von Stiefelleder. Der Mann, der durch die Nacht schlich, war hoch gewachsen und hager – er erinnerte an ein großes Raubtier.
Bei der Rückwand des Heuschobers verharrte er. Ein Streichholz flammte auf, kurze Zeit war nur die kleine Flamme sichtbar, plötzlich aber züngelte eine handlange Flamme in die Höhe. Der Mann hatte eine Fackel in Brand gesetzt. Er lehnte sie gegen die Holzwand des Schobers.
»Bist du es, Henders?«
McQuades raue Stimme ließ den höllischen Besucher halb herumwirbeln, und im nächsten Augenblick brüllte sein Revolver auf. Der Mündungsblitz riss den Mann für den Bruchteil einer Sekunde aus der Finsternis. Er begann zu laufen. Und er jagte eine zweite Kugel aus dem Lauf. Die Detonation vermischte sich mit dem Echo des ersten Schusses und stieß nach allen Seiten auseinander.
McQuade begann zu feuern. Aber sein Gegner schlug plötzlich Haken wie ein Hase und die Geschosse des Kopfgeldjägers verfehlten ihn. Dann schlug die Dunkelheit über ihm zusammen und der Texaner konnte ihn nicht mehr sehen. Er setzte sich in Bewegung, rannte zum Schober und kickte die brennende Fackel von der Holzwand weg, sie wirbelte einige Yards durch die Luft und landete funkensprühend am Boden.
Trommelnde Hufschläge erklangen.
McQuade zerkaute eine bittere Verwünschung und trat das Feuer aus. Dann rannte er an der Scheune entlang in den Hof. »Dooley, hörst du mich?«
»Yeah. Was war los, McQuade?«
»Einer hat versucht, beim Heuschober Feuer zu legen. Ich bin mir fast sicher, dass es Chuck Henders war. Er ist entkommen. Ich will versuchen, ihn zu schnappen.«
June Seymours sorgenvolle Stimme erklang: »Er hat auf Sie geschossen, Mister McQuade. Ist alles in Ordnung?«
»Sicher, Ma'am.«
McQuade rannte zum Pferdestall und stieß vor dem Tor fast mit Brad Dooley zusammen. Das Tor knarrte in den Angeln, als der Cowboy es aufzog. McQuade hatte, als er seine Wache antrat, sein Pferd gesattelt und gezäumt. Seine Ahnung, dass er das Tier brauchen würde, hatte ihn nicht getrogen. Er holte es aus der Box, versenkte die Henry Rifle im Scabbard, zerrte das Tier am Zügel hinter sich her ins Freie und kam mit einem kraftvollen Satz in den Sattel.
»Geben Sie auf sich Acht, McQuade!«, rief June Seymour.
»Ja, McQuade«, stieß Brad Dooley hervor. »Pass auf. Es wäre schade um dich.«
McQuade spornte das Pferd an. Schon nach wenigen Schritten verfiel das Tier in einen raumgreifenden Galopp.
McQuade schonte das Pferd nicht. Sein Bestreben war es, vor dem Brandstifter die Stadt zu erreichen, um ihn abzufangen. Der Texaner ritt mit der Entschlossenheit eines Mannes, der in dieser Nacht für klare Verhältnisse sorgen wollte.
Der Tod begann die Sense zu wetzen, ein gieriges Funkeln in den Augen.
*
Das Pferd röchelte, als etwa zwanzig Minuten später die Stadt vor ihnen auftauchte. Zwischen den Häusern nistete noch die Dunkelheit. Nirgendwo brannte Licht. McQuade saß bei einer Gruppe von Büschen ab, führte das schwitzende Tier, von dessen Nüstern weiße Schaumflocken tropften, zwischen das Strauchwerk und band es an, tätschelte den Hals des Pferdes und murmelte: »Tut mir leid, Amigo. Aber es geht darum, himmelschreiendes Unrecht zu verhindern. Dazu musst auch du deinen Teil beitragen.«
McQuade zog das Gewehr aus dem Futteral und repetierte. Die ausgeworfene Hülse klimperte auf den Boden.
Der Kopfgeldjäger wartete. In der Stadt bellte ein Hund. Ein anderer stimmte ein. Alle anderen Geräusche gingen in dem wütenden Gekläffe unter. Im Osten zog über die Hügelrücken die Morgenröte herauf. Die Hügel muteten vor diesem Hintergrund an wie vorsintflutliche, riesige Ungeheuer, die sich zum Schlaf ausgestreckt hatten.
Nachdem etwa fünf Minuten verstrichen waren, schälte sich ein Reiter aus der Dunkelheit. Das Pferd ging im Schritt. Die Hufschläge wurden vom Bellen der Hunde verschluckt.
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