Mea culpa
fest.«
»Und dein Vater? Weißt du etwas über den?«
Rebecca war jetzt vollständig angezogen. In der Tür drehte sie sich um, mit der Hand auf der Klinke, und noch einmal suchte sie, was immer es sein mochte, in den Vorhängen.
»Ich rufe dich vor dem Wochenende auf jeden Fall an. In Ordnung?«
»Natürlich ist das in Ordnung«, murmelte Synne. »Alles ist immer völlig in Ordnung.«
Das Letzte sagte sie so spät, dass Rebecca es im Gehen nicht mehr hören konnte.
18
Der Zyklon ist an uns vorbeigezogen. Das wird auf jeden Fall behauptet. Er überlegte es sich gleich um die Ecke noch einmal anders, heißt es, aber nach meiner Einschätzung habe ich nun doch einen Zyklon erlebt. Zwei Palmen vor dem Bungalow sind abgeknickt, und die Stuhllehne, mit der ich das Fenster gesichert hatte, erwies sich als Witz. Sie wurde quer durch das Wohnzimmer geschleudert und traf ein Regal voller Teller, die in tausend Stücke zerbrachen. Aber den Brief hat der Wind ignoriert. Ich habe nachgesehen, ob er noch da oben liegt, er scheint triefnass zu sein, aber ich bringe es noch immer nicht über mich, ihn anzufassen, er kann noch eine Weile unter der Plastikschicht liegen. Es macht mir zu schaffen, dass er nicht verschwunden ist, aber andererseits: Es wäre noch schlimmer, wenn er verschwunden wäre. Die Regenzeit ist jetzt eindeutig vorbei. Ehe ich hergekommen bin, wusste ich vage, dass es eine Regenzeit gibt, aber die Broschüre des Reisebüros enthielt eine Temperaturtabelle, die mich zu der Überzeugung brachte, das sei wohl weiter nicht der Rede wert. Im Dezember, Januar und Februar liegt die Temperatur nämlich am höchsten, eben gerade zur Regenzeit. Und ich hatte eine echte Regenzeit mit Kälte assoziiert. Hier aber ist es einfach heiß. Geregnet hat es trotzdem. Nicht ununterbrochen, natürlich, aber wenn es losgeht, dann öffnen sich die Schleusen zu einem Wettlauf zum Boden, bei dem jeder einzelne Regentropfen zum Sieg entschlossen ist. Immer wieder habe ich mich in strahlendem Sonnenschein auf den schmalen Sandstrand unterhalb des Bungalows gelegt, um dann verwirrt und schlaftrunken von der Hitze von einem Wolkenbruch geweckt zu werden und nicht mehr rechtzeitig ins Haus zu gelangen, ehe das Unwetter richtig losgebrochen war.
Es ist jetzt kühler, jedenfalls ist es nicht mehr ganz so heiß. Die Wolken sind heller, weißer, leichter. Ich bekomme Heimweh, wenn sie über mir dahinziehen, nach Norden, immer nach Norden.
Ich bin seit neun Monaten und vier Tagen hier, und mein Rücken tut weh. Diesmal haben die Schmerzen nichts mit meiner Psyche zu tun. Ich sitze unbequem. Das heißt, ich habe unbequem gesessen, auf einem weißen, gebrechlichen Terrassenstuhl aus Schmiedeeisen mit einer Holzplatte. Ich habe meiner Schwester geschrieben und um einen Stuhl gebeten. Einen Schreibtischstuhl. Einen, auf dem ich behaglich sitzen kann, wenn ich abends und die halbe Nacht hindurch versuche, einige lose Fäden in meinem Leben zusammenzubringen, wie eine verärgerte Norne mit einem schwierigen, verhedderten Gewebe. Zuerst hatte ich natürlich versucht, hier unten einen aufzutreiben. Hervé hat mich nach Port Louis gefahren, und dort zu einem Laden, in dem auch wirklich Büromöbel verkauft wurden. Es gab mehrere Modelle. Aber keiner war gut zum Sitzen, und alle waren mit Kunstleder bezogen. Abgesehen von den teuersten, die waren sicher aus echtem Leder. Bei dieser Hitze! Und da habe ich dann lieber meine Schwester gefragt.
Gestern hat Hervé mich zum Flughafen gefahren, um den Stuhl abzuholen. Nach fünf Stunden in einem überfüllten Raum mit einer Klimaanlage, die zweifellos aus einem technischen Museum entliehen war, gab ich auf. Inzwischen hatte ich schon einem Mann in weißem Hemd und tadellosen Trevirahosen, der die ganze Zeit ein Klemmbrett in der Hand hielt, zweitausend Rupien bezahlt. Ohne eine Quittung zu bekommen. Vom Stuhl ganz zu schweigen.
Heute habe ich Hervé wieder hingeschickt, allein. Er bekam von mir einen Sondertarif und dazu fünfhundert Rupien als Bestechungsgeld. Drei Stunden später kehrte er zurück, mit breitem kreideweißen Lächeln und der Kiste mit dem Rabami-Stuhl, made in Denmark. Ich hätte ihn schon gestern allein hinschicken sollen.
Vor zwei Wochen ist ein Mann aufgetaucht, auch er in weißem Hemd und dunkelblauen Hosen, mit einem Klemmbrett unter dem Arm. Das scheint hier eine Art Dienstausweis für Beamte zu sein; ein Beweis dafür, dass sie keinen Zucker herstellen. Er fragte – sehr
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