Mea culpa
vor ihnen und schlug mit einer Faust gegen den Oberschenkel des Vaters und mit der anderen gegen den der Mutter.
Die Erwachsenen lachten, aber das war nicht schlimm. Im Badezimmer war es warm. Die Tür war geschlossen, das Fenster auch. Auf dem Boden lag die kleine Schwester und gurgelte, und die Eltern sahen einander mit dem besten Blick von allen an. Papa ergriff ihr Handgelenk und hockte sich neben sie. Es war fast nicht genug Platz für ihn, und deshalb klopfte er sich auf den Oberschenkel, und der wurde zum Sitz.
»Verstehst du«, sagte er langsam, »das liegt daran, dass …«
Die Mutter unterbrach ihn.
»Ich speichere doch alle Milch, weißt du. Die Milch für das Baby.«
Der Vater erhob sich mit Synne auf dem Arm und legte den anderen um die Frau mit den Milchbeinen. Er lachte und schüttelte den Kopf, aber die Mutter befreite sich von seinem Arm und gab beiden einen Kuss.
Synne sah in den Augen der Erwachsenen etwas Schönes und spürte die Hitze aller Körper in dem winzigen Badezimmer, das schwarz und weiß und entsetzlich warm war.
Warum drängten diese Erinnerungen sich dermaßen auf?
Weil die Kinder das Schlimmste waren.
Weil die Kinder einfach schrecklich waren.
Sie musste die Kinder vergessen.
Sie nahm Rebecca mit Freudentränen und Vergebung wieder auf, mit Liebeserklärungen und Versprechungen. Synne zeigte stolz die Wunde über ihrem Auge vor, die noch immer rosa und auffällig war, und schwor, sie sei in Ohnmacht gefallen.
»Woher hätte ich sonst eine dermaßen riesige Wunde haben sollen?«, sagte sie immer wieder, und endlich glaubte Rebecca ihr.
»Wenn du Schluss machen willst, dann musst du mir das sagen, versprich mir das!«, forderte Synne. »Face to face. Keinen Zettelkram. Ich habe schon richtig Angst vor dem Kühlschrank, zum Teufel.«
Sie lachte, laut und exaltiert.
»Wenn ich Schluss machen will, schaffe ich das nie im Leben von Angesicht zu Angesicht«, sagte Rebecca leise. »Die Kinder konnten dich immerhin leiden. Vor allem Henrik.«
»Mit anderen Worten: Christian kann mich nicht ausstehen.«
Ihre Finger wollten sich nicht von ihrer Augenbraue lösen.
»Du darfst ihn nicht zu hart beurteilen, Synne. Er ist ein guter Vater.«
»Ha. Diesen Spruch Benedicte gegenüber hätte er sich sparen können. Als ob eine Elfjährige sich für ihr Köpfchen interessiert! Sie will hübsch sein, das will sie, und sie weiß genau, dass sie das nicht ist.«
Rebecca zog ihre Hand zurück.
»Sie ist wunderbar. Das erfährt sie jeden Tag. Und Christian ist wirklich ein guter Vater. Er liebt seine Kinder!«
»Ja, wer tut das nicht«, murmelte Synne.
Rebecca sprang wütend auf. Sie lief auf Synnes Bettseite und blieb dort stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, nackt, ohne Hemmungen.
»Davon hast du keine Ahnung, Synne. Also red nicht darüber. Christian hat seine Fehler … als Ehemann, meine ich, aber …«
Synne versuchte es mit einer Art gemurmelter Zustimmung, wurde aber unterbrochen.
»Aber er ist ein sehr treuer Ehemann. Und er ist der beste Vater, den ein Kind sich wünschen kann. Er interessiert sich für sie, ist immer für sie da, liest ihnen vor, redet mit ihnen, bringt ihnen allerlei bei, er … Weißt du, wovor er jetzt Angst hat? Herrgott, wir haben seit einem Jahr nicht mehr miteinander geschlafen, er glaubt, ich hätte … Er hat natürlich Angst, mich zu verlieren. Aber er hat schreckliche Angst … Er hat wirklich schreckliche Angst …«
Sie hob die Arme und verschränkte die Hände hinter dem Nacken, als versuche sie im wahrsten Sinne des Wortes, sich zusammenzunehmen.
»Er hat schreckliche Angst davor, die Kinder zu verlieren. Davor hat er Angst. Es geht nicht um mich. Jedenfalls nicht in erster Linie.«
Jetzt flüsterte sie fast. Es gab nicht viel zu sagen. Deshalb schlug Synne die Decke beiseite.
»Hast du wirklich ein ganzes Jahr nicht mehr mit ihm geschlafen?«
Natürlich hätte sie das nicht fragen dürfen. Es gab zwischen ihnen so viele verbotene, gefährliche Fragen, und diese hier gehörte zu den bedrohlichsten. Sie hätte Rebeccas Aussage einfach stehen lassen können, sie hätte doch eigentlich ausgereicht. Aber er hatte ihr schon so lange zu schaffen gemacht, der Gedanke, dass Rebecca zu Hause einen Mann hatte, einen, der sie berührte, der sie ebenso anfasste, wie Synne das tat, es tat so weh und war so gefährlich, dass sie nie gewagt hatte, danach zu fragen.
»Seit wir uns zum ersten Mal geliebt haben, habe ich ihn nicht mehr
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