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Mea culpa

Mea culpa

Titel: Mea culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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andere feucht und wunderschön klebrig war. Synne schauderte und spürte, wie die Gänsehaut vom Berührungspunkt loswogte, der sich immer weiter nach unten bewegte, und Synne spreizte alles, was sich spreizen ließ, und keuchte noch einmal: »Du bist wieder da, Rebecca!«, aber eine Antwort kam nur von der Hand, die Feuchtigkeit dort holte, wo sie für einen Finger zu holen war, den Zauberfinger, die Verlängerung von Rebeccas magischer rechter Hand, und er stahl sich in das enge, pulsierende Loch dort, wo der Rücken endlich einen kleinen Bogen nach innen beschreibt, dort, wo alles überaus willkommen ist, und Synne konnte nicht mehr stillliegen.
    »Ich komme immer zurück, Synne. Ich schaffe es nie, mich davon fern zu halten.«
    Sie war fünf Monate stumm geblieben. Kein Anruf, kein kurzer Brief, keine Postkarte mit ein paar Zeilen, mit nur ein paar Worten, um mitzuteilen, dass es sie noch immer gab. Fünf Monate und noch ein wenig länger. Dennoch sagte sie jetzt dasselbe wie nach den schwarzen Löchern, von denen manche nur einige Tage vorgehalten hatten. Sie konnte sich nicht davon fern halten. Davon.
    Das tat Synne weh und machte sie glücklich.
    Einerseits war es eine Bestätigung, die sie gern zur allgemeinen Betrachtung an die Wand gehängt hätte, ein Diplom mit Goldrand und prangendem Siegel hinter Glas und Rahmen, das sie ungeheuer erregte; es war an sich bereits ein Aphrodisiakum: dass Rebecca davon so begeistert und bisweilen beängstigend abhängig war. Immer war es so: eine aufsteigende Spirale aus Lust, ein Ping-Pong-Spiel der sexuellen Energie, die immer stärker wurde: Rebeccas und Synnes Begehren nacheinander und danach, das Begehren der anderen zu erleben.
    »Ist es wirklich nur das, wozu du zurückkommst?«
    »Fast.«
    Das wurde mit einem Kuss auf die Nase gesagt, der einen Schlusspunkt darstellen sollte, aber es brannte trotzdem.
    Es fiel Rebecca nie schwer, über Sex zu sprechen. Nicht, nachdem sie sich als Geliebte etabliert hatten, um zu diesem Ausdruck zu greifen, obwohl er Synne missfiel, er war in vieler Hinsicht reduzierend, sie waren doch keine Geliebte, sondern Liebende. Es überraschte sie; um die Wahrheit zu sagen, schockierte es sie auch in nicht geringem Maße – diese Offenheit, diese Frische in Rebeccas körperlichem und sprachlichem Umgang mit den intimsten Aspekten des Lebens. Es stimmte nicht mit dem Bild überein, das man von ihr hatte, Synne brachte es nicht mit Rebeccas Erziehung zusammen, ihrer Herkunft; dieser bürgerlichen, leicht vornehmen, überaus reichen Außenseiterinnenherkunft, dieser Herkunft, die sie in vieler Hinsicht so attraktiv machte, ihrem Sprachgebrauch, ihrer Rücksichtnahme und auch der Tatsache, dass sie einen Tisch perfekt decken konnte, kein Glas stand falsch, sie konnte sogar Servietten auf äußerst kunstvolle Weise falten, mit anderen Worten: Sie hatte Manieren und dürfte sich deshalb nicht so aufführen.
    Nicht nur, dass sie über Sex sprechen konnte, sie sprach außerdem gern über Sex. Vielleicht war das Provozierende daran so erregend; sie konnte in fast jede Art von Gespräch einbrechen, mit einem Lächeln, einer Assoziation, sie ließ solche Assoziationen nie ungenutzt, wenn sie sich einstellten. Sie redete Synne in der Regel ins Bett. Nicht so, dass sie schweinische Redensarten geführt hätte, Gossensprache, das nun gar nicht; wenn sie über Sex sprach, war sie in ihrer Wortwahl ebenso gebildet, ebenso geschliffen und beredt wie sonst. Sie war nur so geradeheraus, so … so direkt!
    Synne ihrerseits – und das, obwohl sie das Gefühl wunderbar fand, verbal auf ein Schäferinnenstündchen zu manövriert zu werden – konnte damit nur schwer umgehen. Bei zwei seltenen Gelegenheiten hatte sie es in Briefen an Rebecca gewagt, in der Hoffnung, dass es schriftlich leichter sein würde, aber in der Regel war ihr auch das peinlich; sie wurde bei dem Versuch rot, sogar, wenn sie allein war. Vielleicht lag hier eine Form von Hemmung vor. Vermutlich aber entsprach eine solche ungenierte Offenheit einfach nicht ihrer Natur. Sie sah ein, wie paradox das alles war: Sie, Synne, war diejenige, die die Liebe, das Große, Gewaltige zwischen ihnen, mit Worten benennen konnte, das, was sie zusammenhielt, was Rebecca zurückgebracht hatte, obwohl Rebecca noch immer nicht »ich liebe dich« sagen konnte, jedenfalls nicht ohne Umschreibungen und Gequengel und Heulen und Zähneknirschen, aber nie aus eigener Initiative, niemals unvermittelt und wunderbar

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