Meade Glenn
Tschetschene richtete die Waffe auf Karlas Gesicht.
»Steigen Sie hinten in den Wagen.«
Er stieß Karla auf die Rückbank. Sein Kollege sprang auf den Fahrersitz, startete den Motor des Plymouth und fuhr durchs Tor.
41
Washington, D.C.
Zwei Häuserblocks vom Weißen Haus entfernt befand sich auf der 14. Straße Nummer 529, gleich um die Ecke vom berühmten Willard Hotel, die Zentrale des Nationalen Presseclubs. Um Viertel vor fünf wollte Bob Rapp dem Journalisten Jerry Tanbauer von der Washington Times ein Interview geben.
Treffpunkt war die Schankstube des Presseclubs, ein bekannter Treffpunkt für internationale Korrespondenten und Journalisten.
Seltsamerweise war die Schankstube an diesem Nachmittag fast menschenleer. An der Theke saßen nur eine Hand voll Gäste.
Rapp kannte Tanbauer aus der gemeinsamen Zeit bei der Washington Times. Sie waren alte Freunde, und das Interview sollte ursprünglich im Weißen Haus stattfinden. Tanbauer wollte einen ausführlichen Bericht über Rapps Rolle als Sprecher des Präsidenten und seine Ernennung in den Nationalen Sicherheitsrat schreiben. Das Treffen war zwei Tage vor dem Ausbruch der Krise vereinbart worden, und Rapp hielt es für klüger, Tanbauer vom Weißen Haus fern zu halten. Tanbauer, ein kleiner Mann Anfang sechzig mit einem argen Prostataleiden und einer fürchterlichen Perücke, war ein anerkannter Korrespondent des Weißen Hauses, ein alter Hase, der einen sechsten Sinn für Sensationen entwickelt hatte.
Die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates waren vom Präsidenten ausdrücklich angehalten worden, ihren täglichen Geschäften nachzugehen, als wäre nichts geschehen. Wenn Rapp das Interview abgesagt hätte, wäre Tanbauer misstrauisch geworden. Daher hatte er seinen alten Kollegen angerufen und Vorgeschlagen, das Interview in der lockeren Atmosphäre der Schankstube durchzuführen, da er zuvor einen Termin im Willard habe. Rapp hielt diesen Ort für gut gewählt. Man würde sehen, wie er einem Washingtoner Journalisten ein ganz normales Interview gab, und dadurch konnte er etwaige Mutmaßungen im Keim ersticken. Tanbauer schien der Ortswechsel nicht im Mindesten zu beunruhigen. Er führte Rapp an einen Tisch am Ende der Theke. »Ich gebe einen aus, Bob.
Was nimmst du?«
»Mineralwasser mit Zitrone.«
»Du machst wohl Scherze. Seit wann bist du Abstinenzler?«
Rapp schüttelte lächelnd den Kopf. »Bin ich nicht, Jerry. Ich will nur einen klaren Kopf behalten.«
»Wichtige Ereignisse im Weißen Haus?«
Rapp dachte: Versucht er mich auszuhorchen? Es war ihm zur zweiten Natur geworden, neugierige Fragen zu stellen. »Nein, ich habe gestern Abend zu viel Scotch getrunken. Nun geh schon«, erwiderte er lachend.
»Wie du meinst, mein Freund.« Tanbauer legte seine Ledermappe und das kleine Diktiergerät auf den Tisch und kratzte sich in der Leiste. Die Prostata machte sich wieder bemerkbar, und seine Passion für große Mengen Whisky half nicht, das Leiden zu lindern. »Ich bestell die Drinks, geh schnell pinkeln, und dann können wir anfangen, Bob. Ich bin in einer Minute zurück.«
Rapp setzte sich an den Tisch. Drei Meter entfernt nahmen seine beiden Leibwächter Platz. Rapp hatte sich an den Personenschutz gewöhnt. Die Beschattung gefiel ihm nicht gerade, aber er tolerierte sie.
Der Presseclub war einst einer seiner bevorzugten Treffpunkte gewesen. In dieser Schankstube hatte er sich mit Andrew Booth getroffen, nachdem der damalige texanische Gouverneur eine kleine Ansprache gehalten hatte. Rapp imponierte die Rede, aber er behauptete dem Gouverneur gegenüber kühn, es besser zu können. Der Gouverneur lächelte darüber. »Warum arbeiten Sie nicht für mich? Ehrlich gesagt, könnte ich noch einen Schreiber gebrauchen, vor allem einen von Ihrem Kaliber, Mr.
Rapp. Ich bewundere Ihre Arbeit schon lange.«
Rapp hegte eine heimliche Bewunderung für den texanischen Gouverneur. Hinter den Lebensweisheiten, die Andrew Booth manchmal in der Öffentlichkeit zum Besten gab, erkannte er einen scharfen Verstand. Zudem war er ein attraktiver netter Bursche, was zumindest für einen Politiker, der die Präsidentschaft anstrebte, selten war. Er war ehrlich und lauschte den Meinungen anderer, auch wenn sie wertlos waren, ohne jede Spur von Herablassung oder Arroganz. Dieser Charakterzug beeindruckte Rapp. Andrew Booth hörte zu. Er hörte nicht nur zu, sondern er nahm auch die Ratschläge anderer an. Diesen Mann konnte sich Rapp gut als Präsidenten
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