Meade Glenn
das Gespräch und Ihr e Hilfe, Oberst Rand.«
Fünf Minuten später beendete Murphy mit nachdenklicher Miene die Lektüre der Papiere und Notizen, die auf seinem Schreibtisch lagen. Er stand auf, stellte sich ans Fenster und dachte über Karla Sharif nach, die nach so vielen Jahren wieder aktiv geworden war. Die Israelis sahen sie nicht mehr als Gefahr an, doch eine aufschlussreiche Information aus Tel Aviv hatte Murphy hellhörig gemacht: Karla Sharifs letzter Besuch bei ihrem Sohn war am 22. Juli, vor fast vier Monaten, erfolgt. Sie hätte ihn vor einem Monat, am 21. Oktober, erneut besuchen dürfen, war aber nicht im Gefängnis erschienen. Oberst Rand zufolge war es der erste Besuch, den sie versäumte.
Der israelische Oberst hatte versprochen, ihm die Akte des Sohnes zu schicken, und am Telefon bereits die wichtigsten Infos geliefert. Der sechzehnjährige Josef Sharif war verletzt worden, als er mit einem Kameraden der Hamas versucht hatte, Sprengstoff über die israelische Grenze zu schmuggeln. Trotz der Schwere des Vergehens stufte der Mossad Josef Sharif eher als unbedeutenden Hamasanhänger ein. Als relativ harmlosen Jugendlichen, den seine fanatischen Kameraden und sein jugendlicher Übermut angestachelt hatten.
Murphy, der auf die beleuchtete Stadt schaute, konnte verstehen, warum Karla Sharif der PLO beigetreten war. Die Massaker der von den Israelis unterstützten Falangisten in den Flüchtlingscamps in Sabra und Chatila waren eine schmachvolle Episode in der Geschichte Israels. Vielleicht hätte auch er den Wunsch verspürt, die Waffe ge gen die Israelis zu erheben, wenn er als junger Palästinenser das Massaker an seinen Eltern und hunderten größtenteils unschuldigen Freunden und Nachbarn miterlebt hätte. Er kannte hartgesottene Militärs, die der Meinung waren, dass sich alle Verantwortlichen dieses entsetzlichen Massakers bis hin zu den obersten Kommandeuren vor deminternationalen Strafgerichtshof hätten verantworten müssen. Sie waren zweifellos alle Kriegsverbrecher. Doch die Israelis hatten ihre Schuld niemals wirklich zugegeben und die Missetäter nie bestraft.
Murphy versuchte, Karla Sharifs widersprüchliches Verhalten zu begreifen. Ihr Anschluss an die PLO war für ihn zwar durchaus nachvollziehbar, nicht aber ihre Reaktivierung nach so vielen Jahren. Er fragte sich, ob die Inhaftierung ihres Sohnes oder die andauernden Unruhen in Palästina oder beides dazu geführt hatten. Auf jeden Fall war sich Murphy ziemlich sicher, auf der richtigen Fährte zu sein. Darauf wiesen ihre Karriere als radikale Terroristin, die Inhaftierung ihres Sohnes und ihr versäumter Besuch im Gefängnis hin. Überdies hatte Kursk sie identifiziert. Diese Frau könnte verdammt gut die Dritte im Bunde sein.
Karla Sharif hatte in Amerika gelebt und eine Ausbildung zur Topterroristin genossen. Sie sprach fließend Englisch und galt seit vielen Jahren als sauber. Vermutlich könnte sie sich unbemerkt in Amerika aufhalten und sich sogar als Amerikanerin ausgeben.
Die Mossad-Agenten würden Karla Sharif garantiert nicht zu Hause antreffen. Murphys Pulsschlag beschleunigte sich, als er sich die Kopie von Abu Hasims Liste der Gefangenen anschaute, die auf seinem Schreibtisch lag. Zu den Gefangenen, die freigepresst werden sollten, gehörte auch ein Josef Sharif. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Ein Kollege von Murphy, Larry Soames, kam herein. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und den obersten Hemdkragen geöffnet. Er schloss die Tür.
»Was gibt’s, Larry?«
»Kurzer Zwischenbericht. Unsere Undercover-Agenten haben noch nichts Handfestes. Alle infrage kommenden Sympathisanten benehmen sich vorbildlich und unauffällig.«
»Was ist mit den Ladungsmanifesten?«
»Negativ.«
Murphy seufzte. »Okay, dann gehen wir noch einen Monat zurück. Was ist mit dem Zeug, das Collins angefordert hat?«
»Wir arbeiten daran, Tom.« Soames war wie alle Agenten ziemlich am Ende. »Wir kippen bald aus den Latschen…
Neuigkeiten aus Maryland?«
»Noch nicht. Collins ruft mich an, wenn sie eine Spur haben.«
Soames nickte und ging zur Tür. »Warte mal. Ich bin noch nicht fertig, Larry.« Murphy ging zur Landkarte der Vereinigten Staaten, die an der Wand hing. Er stemmte die Hände in die Hüften, starrte auf die Karte und dachte nach. Nach illegalen Immigranten aus Palästina wurde bereits gefahndet. Karla Sharif konnte jedoch auf unzähligen Wegen und unter falschem Namen in die USA eingereist sein.
Der
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