Meade Glenn
noch einmal in seine Unterlagen, klappte dann den Ordner zu und gab ihn Franco zurück. »Vermutlich ist es schon zu spät. Wenn etwas in diesem Container eingeschmuggelt worden ist, dürfte es schon lange weg sein. Wir sollten die Waage öfter benutzen … Eigentlich sollte das Vorschrift sein.«
Franco tat so, als wäre er besorgt. »Da haben Sie recht, Mann.
Wir sind viel zu lasch.«
Il Peste wuchtete seinen fetten Körper von dem Stuhl hoch, trat ans Fenster und sah auf die Lichter des Piers hinaus. Franco merkte, daß ihn irgendwas beschäftigte und ihm Sorgen bereitete.
»Kann ich abschließen?«
Il Peste drehte sich zu ihm um und ignorierte die Frage.
»Diesen Container aus der Maria Escobar habe ich doch gründlich untersucht, oder nicht?«
Franco zwang sich zu einem Lächeln. »Sicher, da erinnere ich mich wieder.«
»Ich habe ihn sogar mit dem Schlagring abgeklopft.«
»Ja.« Franco fühlte sich plötzlich wieder schwach.
»Warum?«
»Meine Tochter Bianca spielt wirklich gut Klavier. Sie sagt, ich hätte ein gutes Ohr für Musik. Ich weiß, wann Musik gut ist und wann sie schlecht ist.«
Franco lächelte, obwohl es ihm schwerfiel. »Tatsächlich?«
»Ja, ich kann zwar keine einzige Note lesen, aber wenn eine nicht stimmt, dann höre ich es sofort. Wissen Sie, was ich meine?«
»Sicher, klar.« Das Lächeln verging Franco allmählich, und er mußte jetzt wirklich seine Wangenmuskeln anstrengen. Lächle!
Und Franco lächelte.
»Dieser Container …« Il Peste brach ab und ließ den Satz in der Luft hängen. Er starrte ins Leere, nicht auf Franco, auf nichts, einfach nur ins Leere.
»Was ist damit?« fragte Franco nervös.
»Als ich ihn mit dem ›Tupfer‹ abgeklopft habe, waren die Töne nicht richtig. Ich erinnere mich daran. Irgend etwas klang nicht richtig.«
Franco zuckte mit den Schultern und fühlte, wie ihm am ganzen Leib der Schweiß ausbrach. »He, ich bin nur ein Angestellter, wissen Sie? So was überlasse ich euch vom Zoll.
Ich tue nur meinen Job.«
Il Peste starrte ihn an, und Franco erwiderte den Blick. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an, und er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben.
Langsam drehte sich Il Peste herum und sah aus dem Fenster.
»Aber ich erinnere mich auch daran, daß ich an diesem Tag keine Zeit hatte. Hätte ich mir die Zeit gelassen, dann hätte ich den Container vielleicht genauer untersucht.« Er hielt inne. »Ich habe die Containernummer. Laut unseren Unterlagen müßte er in ein paar Tagen wieder hier sein, mit der Ladung aus Piräus.
Vielleicht überprüfe ich ihn, wenn ich Zeit habe.« Er ging zur Tür und verschwand.
Franco blieb mitten im Büro stehen. Er zitterte am ganzen Körper und hörte, wie sich die Schritte des Dicken langsam entfernten. Er seufzte sorgenvoll und rieb sich den Nacken. Er fühlte sich mies. Wirklich mies. Und er machte sich Sorgen.
Mann, er machte sich riesige Sorgen.
Was, zum Teufel, ging hier vor? Wenn Il Peste das Versteck fand, würde er wissen, daß etwas nicht stimmte. Nur war die Fracht längst verschwunden. Franco konnte sich dumm stellen.
Ihm konnte man nichts nachweisen. Absolut nichts. Und da der Hohlraum leer war, hatte man nichts gegen Franco in der Hand.
Er wischte sich die Stirn ab. Du bist in Sicherheit, Mann. Kein Grund zur Sorge. Entspann dich.
Er holte tief Luft und ließ den Atem langsam entweichen.
Dann atmete er noch einmal so tief ein, daß er spürte, wie die Luft in seine Lungenspitzen strömte.
Plötzlich verkrampften sich sein Magen und sein ganzer Bauch. Er schaltete das Licht aus, schloß die Tür ab und eilte rasch nach unten auf die Toilette.
40. KAPITEL
Straßburg.
Dienstag, 20. Dezember.
Am Dienstag morgen war Volkmann schon um zehn Uhr im Büro. Auf seinem Schreibtisch erwarteten ihn zwei telefonische Nachrichten. Die eine stammte von Ted Birken aus Zürich. Er bat um Rückruf. Die andere war ein Anruf von Iwan Molke, der dringend darum bat, daß er sein Büro in München anrief.
Volkmann rief zuerst bei Molke an, aber dessen Sekretärin sagte ihm, daß Molke in einem Treffen sei und Volkmann zurückrufen werde.
Als er sich bei Birken meldete, nahm der Mann sofort ab. Er hörte die höfliche, freundliche Stimme des alten Geheimdienstlers.
»Ich bin einen Schritt weiter gekommen, Joe. Haben Sie Bleistift und Papier zur Hand?«
Volkmann griff nach einem Notizblock und einem Stift.
»Gute Nachrichten?«
»Schwer zu sagen, jedenfalls besser, als ich erwartet
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