Meade Glenn
etwas manchmal vorkam. Vor allem, wenn der weibliche ›Fall‹, den man betreute, jung, hübsch und intelligent war.
Aber bei Volkmann überraschte es Peters trotzdem. Nach allem, was er von Joe Volkmann wußte, paßte das nicht zu seinem Stil. Er hatte seine Jobs immer untadelig und vorschriftsmäßig erledigt, und es gehörte nicht zu seinen Schwächen, daß er sich mit Frauen einließ, die in seine Fälle verwickelt waren. Schon gar nicht mit einer Deutschen – und erst recht nicht mit dieser, dachte Peters, als ihm ein Satz aus ihrer Akte einfiel. Als er vom Fenster wegtrat und mit der Fernbedienung den Fernseher einschaltete, kam das Mädchen mit zwei Bechern dampfendem Kaffees zurück. Peters nahm seinen Becher, setzte sich hin und schnipste sich etwas Zigarettenasche vom Hemd.
Als er sich vorbeugte, um seinen Becher wieder vom Tisch zu nehmen, bemerkte er, daß das Mädchen kurz auf seine Hüfte blickte. Er sah an sich herunter. Die Pistole im Gürtelhalfter war deutlich zu sehen. Peters blickte hoch und ertappte sie dabei, wie sie die Waffe anstarrte, bevor sie den Blick abwandte.
Wortlos stand er auf, schnallte die Waffe ab und legte sie auf seinen Mantel. Dann setzte er sich wieder hin.
Der Mercedes fuhr viermal am Quai auf und ab, bevor er vor dem Wohnblock anhielt. Es herrschte noch immer dichter Schneefall, gegen den die Scheibenwischer des Wagens ankämpften.
Der Beifahrer überprüfte die Adresse und nickte dem Fahrer zu, bevor er den Kragen hochklappte und hinaus in den Schnee trat.
Während der Mann im Hof verschwand, blieb der Fahrer sitzen und trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad.
Er ließ den Motor laufen und musterte aufmerksam die Wagen, die am Quai entlangfuhren. Es herrschte nicht viel Verkehr, und die gelben Scheinwerferkegel der Fahrzeuge huschten in der stärker werdenden Dämmerung an ihm vorbei. Außerdem wußte der Mann, daß die Leute bei einem solchen Wetter weniger darauf achteten, was um sie herum vorging, und sich mehr auf die Straße konzentrierten.
Drei Minuten später kam der Beifahrer zurück und stieg ein.
Sein Haar und sein Mantel waren mit Schneeflocken bedeckt.
Der Fahrer schaltete die Heizung eine Stufe höher, und der Mann wischte sich mit einer großen Hand das Gesicht ab.
»Es ist die richtige Wohnung«, sagte er auf deutsch. »An der Klingel steht Volkmann. Nach hinten ein Fenster. Sie sind zu zweit: Ein Mann und eine Frau.«
Der Fahrer blickte auf die Uhr. »Gut, fahren wir noch einmal um den Block und kommen dann zurück.«
Als der Mercedes sich in den Verkehr einfädelte, griff der Beifahrer unter seinen Sitz und zog zwei Pistolen mit Schalldämpfer heraus.
Genua.
3.15 Uhr.
Franco Scali stand am Eingang des Lagers, als der Wagen der Zivilstreife vorfuhr und die Beamten ausstiegen. Ihre Waffen in den Gürtelhalftern waren unter den offenen Wintermänteln deutlich zu sehen.
Als der Kerl auf dem Rücksitz ebenfalls ausstieg und mit einem der Beamten Englisch sprach, verspürte Franco große Erleichterung, den Anruf erledigt zu haben. Die ganze Angelegenheit verhieß großen Ärger, das spürte Franco in der Magengrube.
Er fühlte sich mies und erschöpft, denn nach dem Telefonat hatte er nicht mehr schlafen können. Die Angst hielt ihn wie mit eiserner Faust gepackt. Er war angespannt und hatte Schmerzen in der Brust, die ihm arg zusetzten, und es überraschte ihn, daß er überhaupt noch stehen konnte. Seine Beine fühlten sich an wie Gummi.
Um acht Uhr morgens waren zwei Polizisten bei ihm zu Hause aufgekreuzt und hatten ihm gesagt, daß sie ihn zum Hafen mitnehmen, seine Unterlagen über den Container kontrollieren und ihm einige Fragen stellen wollten. Franco hatte versucht, es herunterzuspielen. Klar, kein Problem. Aber diese Kerle konnten riechen, wenn einer Schiß hatte, sie hatten eine Nase dafür. Franco ahnte, daß sie seine Angst witterten.
Zuerst hatten sie ihm im Büro im ersten Stock die Fingerabdrücke abgenommen und damit einen Polizisten aufs Präsidium geschickt. Das bereitete Franco kein Kopfzerbrechen.
Er hatte Handschuhe getragen, als er die Kiste aus dem Abteil geholt hatte. Dann hatten die Polizisten ihm Fragen über den Container gestellt. Als einer von ihnen wissen wollte, ob er etwas zu erzählen habe, hatte Franco mit den Schultern gezuckt.
Nein, natürlich nicht. Wie sie nur darauf kamen?
Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand. Selbst das Zeug aus dem Spind war verschwunden, dafür hatte Aldo gesorgt.
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