Meade Glenn
zermartert, bis es ihm endlich eingefallen war.
Jetzt fügte sich alles zusammen. Das Haus und der alte Mann: Tscharkin. Es war der alte Mann, der zwei Tage vor Rudis Tod Selbstmord begangen hatte. Er hatte sich an ein Foto in einem der Schlafzimmer erinnert. Es zeigte das Gesicht des alten Mannes, das nicht mehr existierte, und dessen Leiche unten im Arbeitszimmer gelegen hatte. In diesem Haus, so erklärte Sanchez Volkmann und der jungen Frau, hatte er Rudi das letzte Mal lebend gesehen. Wenigstens hatten sie jetzt einen Anhaltspunkt, eine Spur, der sie folgen konnten. Nicht zu vergessen das Tonband.
Sie hatten es achtmal abgespielt. Erika hatte das Gespräch für Sanchez ins Spanische gedolmetscht und dann ihre Übersetzung niedergeschrieben. Der korpulente Mann las langsam Erikas Mitschrift, hinterfragte die Beugung der Verben in dem handgeschriebenen Manuskript und war genau wie Volkmann neugierig und verblüfft. Er las immer und immer wieder die Worte, bat Erika, es noch einmal zu übersetzen, um sicherzugehen, daß die Niederschrift auch fehlerfrei war, keine Nuance ausgelassen und kein Wort übersehen worden war.
Jetzt sah Sanchez durch die Rauchschwaden Volkmann an.
»Möchten Sie das Band noch einmal hören?«
Volkmann nickte bestätigend. Ja, er wollte es noch einmal hören. Sanchez drückte die Wiedergabetaste des Kassettenrekorders, der vor ihm auf dem Schreibtisch stand, bevor er sich eine weitere Zigarette anzündete und sich zurücklehnte.
Volkmann hörte zu, lauschte den tiefen, gutturalen Stimmen vom Band. Er kannte die Worte mittlerweile zwar schon beinahe auswendig, aber er wollte sie noch einmal hören.
» Die Lieferung? «
» Die Ladung wird wie vereinbart in Genua abgeholt. «
» Und der Italiener? «
» Er wird beseitigt, aber ich möchte sichergehen, daß wir mit der Fracht keinen Verdacht erregen. Es wäre klug, zu warten, bis Brandenburg einsatzbereit ist. Dann wird mit ihm genauso verfahren wie mit den anderen. «
Pause.
» Diejenigen, die uns ihre Loyalität versprochen haben … wir müssen uns ihrer absolut sicher sein. «
» Ich habe sie genau überprüft. Ihre Abstammung steht außerhalb jeder Diskussion. «
» Was ist mit dem Türken? «
» Da sehe ich keine Probleme. «
» Und das Mädchen? Sind Sie absolut sicher, daß wir uns auf sie verlassen können? «
» Sie wird uns nicht enttäuschen, das versichere ich Ihnen. «
Pause. »Es gibt keine weiteren Änderungen auf der Namensliste? «
» Sie werden alle getötet. «
» Und Ihre Reisevorbereitungen? Ist alles organisiert? «
» Wir verlassen Paraguay am Sechsten. «
» Vielleicht sollten wir den Terminplan noch einmal durchgehen. «
Es herrschte eine lange Pause, bis Volkmann wieder eine Stimme hörte.
» Es ist ziemlich heiß hier. Kann ich ein Glas Wasser bekommen? «
Wenige Augenblicke später ertönte das Klirren eines Glases und das Gluckern von Wasser, ein langes Schweigen und ein scharfes Klicken, dem ein schwacher, brummender Ton folgte.
Sanchez beugte sich vor und drückte den Vorlauf-Knopf. Es gab eine lange Periode des Schweigens auf dem Band, in dem nur ein leises Rauschen zu hören war, bis die Stimmen wieder zu hören waren. Aber diesmal waren sie sehr undeutlich, die Wörter verwaschen, knisternd und kaum auszumachen.
»Prost.«
»Prost.«
»Prost.«
Erneut herrschte eine Pause, dann sagte jemand sehr leise:
» Wir müssen Sie jetzt verlassen. Es ist eine lange Reise zurück in den Norden. Der Fahrer bringt Sie in das sichere Haus. «
Wieder Schweigen.
Sanchez wartete eine Weile, um sicherzugehen, daß das Gespräch beendet war, vernahm ein leises Geräusch, das irgendwie dem Schließen einer Tür glich, beugte sich vor und schaltete das Bandgerät ab.
Volkmann sah auf die Notizen, die er hastig in sein Notizbuch gekritzelt hatte. Es war seine Stenographie des Gesprächs.
Sanchez hatte gefragt, was das Wort Brandenburg bedeutete.
Erika hatte es ihm erklärt. Eine Stadt in der Nähe von Berlin, und außerdem der Name eines deutschen Bundeslandes, das einmal zum Staat Preußen gehört hatte. Das berühmte Brandenburger Tor stand in der Nähe des Reichstages, des alten deutschen Parlamentsgebäuden. Und es hatte einst wirklich die Ausfallstraße nach Brandenburg markiert.
Sanchez hatte bei ihrer Antwort zwar genickt, sich aber verwirrt den Kopf gekratzt. Die Erklärung hatte ihm nicht sonderlich weitergeholfen. Nun war er noch verwirrter als vorher.
Sie hatten länger als eine
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