Meade Glenn
Zehlendorf, eine amerikanische Einrichtung, die von der deutschen Regierung finanziert wurde. Hier werden die Dokumente der ›National-sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei‹ gesammelt. 1945 hatten die amerikanischen Truppen beinahe alle Personalakten der SS, der NSDAP und der verschiedenen Parteiorganisationen in ganz Deutschland erbeutet. Diese und andere Parteiunterlagen wurden später in besonderen Gewölben in Berlin gelagert, um die Verfolgung von Kriegsverbrechern zu erleichtern und während der Entnazifizierung feststellen zu können, ob ein bestimmter Bürger des Reiches Parteimitglied gewesen war.
Die zweite Agentur wurde allein von der deutschen Regierung geleitet. Sie hieß ›Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen‹ und lag in Ludwigsburg, einer kleinen Stadt in Württemberg. Ihr Personal bestand aus einer kleinen Zahl von hingebungsvollen Beamten und Anwälten, die die Aufgabe hatten, Kriegsverbrecher aufzuspüren und gegebenenfalls anzuklagen. War das Berlin Document Center nur ein Aufbewahrungsort für Akten der NSDAP und für SS-Dokumente, so hatte die ›Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen‹ tatsächlich Nazi-Kriegsverbrecher und SS-Massenmörder aufgespürt und vor Gericht gestellt. Fast alle Dokumente, die sie besaßen, waren Kopien der Berliner Akten.
Aber weil viele dieser gesuchten Verbrecher entweder tot oder meistens schon vor langer Zeit erfolgreich ihre Vergangenheit verschleiert hatten, wurden die Gelder für diese Behörde von der Bundesregierung immer weiter gestrichen. Allmählich wurde die ganze ›Zentralstelle‹ reduziert.
Volkmann sah die junge Frau an. »Die Akten über ehemalige Nazis und SS-Leute sind entweder in Ludwigsburg oder in Berlin.
Aber da Berlin alle Originaldokumente hat, ist das für uns besser.
Sie haben vielleicht keine Unterlagen über Erhard Schmeltz, weil er Deutschland verlassen hat, bevor die Nazis 1933 an die Macht gekommen sind, aber es ist ein Versuch wert.«
Er sah, wie Erika zögerte und wegschaute. Nach einem Augenblick wandte sie sich ihm wieder zu. »Kann Sanchez eigentlich herausfinden, wo dieses Flugzeug gelandet ist, von dem er geschrieben hat?« fragte sie.
Volkmann gab ein Schulterzucken zur Antwort. »Wenn es nicht gerade auf einem regulären Flughafen gelandet ist, dann bezweifle ich das sehr. Und ein Hubschrauber könnte überall landen, wo die Lichtung groß genug ist. Außerdem vermuten wir nur, daß die Leute aus dem Haus in der Maschine gewesen sind. Es muß nicht unbedingt so sein.«
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Also haben wir noch nichts Handfestes?«
»Vielleicht nicht. Was ist mit Winters alten Freunden von der Universität?«
»Wie meinen Sie das?«
»Leute, mit denen Winter verkehrt hat«, erklärte Volkmann.
»Kannten Sie welche in Heidelberg?«
»Ich hatte einen anderen Bekanntenkreis. Aber ich kannte ein paar Mädchen, die mit Winter befreundet waren. Warum?«
»Kennen Sie jemanden, der mit ihm in Heidelberg befreundet war?«
Die junge Frau zögerte einen Moment. »Es gab einen Wolfgang Lubsch aus Baden-Baden. Mit ihm schien sich Winter ziemlich gut zu verstehen. Ich habe die beiden oft in der Altstadt trinken sehen.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo sich Lubsch jetzt aufhält?«
Erika schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich kenne seine Freundin, Karen Hollfeld. Wir haben uns ein paar Monate lang eine Wohnung geteilt. Ich glaube, sie lebt jetzt irgendwo in Mainz.«
»Glauben Sie, daß Sie sie aufspüren könnten?«
»Ich kann ein paar alte Freundinnen anrufen, die ihre Adresse kennen könnten. Vielleicht hat sie keinen Kontakt mehr zu Lubsch. Was soll ich tun, wenn ich sie gefunden habe?«
Volkmann dachte einen Moment nach. »Wie wäre es, wenn Sie ihr sagten, daß Sie mit einem Kollegen einen Artikel für eins Ihrer Magazine schreiben? Heidelberger Studenten damals und heute. Sagen Sie Ihr, daß Sie gern mit Lubsch vertraulich sprechen würden. Sie würden dasselbe mit einigen anderen Kommilitonen machen. Aber machen Sie nicht zuviel Druck.
Wenn Sie das Mädchen nicht durch Ihre eigenen Freunde finden, kann ich meine Leute auf Lubsch ansetzen.«
Volkmann zögerte. »Erinnern Sie sich an noch jemanden, der mit Winter befreundet gewesen sein könnte?«
Die junge Frau dachte einige Sekunden nach und sah Volkmann dann an. »Mir fällt noch ein Mann ein. Hermann Borchardt. Ich glaube, Winter und er waren Freunde. Aber er ist nicht lange an der Universität geblieben. Sein
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