Meagan McKinney
können sich die Eile ersparen. Unglücklicherweise hat sich das
Schicksal Ihrer Nichte bereits erfüllt.«
»Wovon
reden Sie?« fragte Didier gereizt.
»Es stand
in der Zeitung. Im St. Louis Chronicle. Haben Sie die Schlagzeilen von
heute noch nicht gelesen?«
»Wo kriege
ich eine Zeitung her?« fauchte Didier.
»Nun, ich
habe zufällig eine da.« Glassie reichte ihm ein zusammengefaltetes Exemplar,
das er aus seiner Innentasche gezogen hatte.
Henry
Glassie hatte schon viele Dinge auf seinen Reisen erlebt, ja, er war sogar
schon von Verbrechern entführt worden. Aber er hatte noch nie gesehen, wie
einem Mann so gründlich und schnell das Blut aus dem Gesicht wich wie diesem.
»Geht es Ihnen nicht gut, Mister?« fragte er mißtrauisch.
Didier warf
die Zeitung auf den Tisch. Die Schlagzeile schrie ihm entgegen:
VERSCHOLLENE
ERBIN GEFUNDEN! C hristabel van Alen stellt sich der Anklage in New York! Trevor
Sheridan bietet Millionen zu Verteidigung auf!
Mr.
Glassie räusperte sich.
»Natürlich ist das für alle ein rechter Schock. Jeder, der dieses arme Kind kennengelernt
hat, muß wissen, daß sie zu Unrecht beschuldigt worden ist. Die Anklage, die
gegen sie erhoben worden ist, kann nicht der Wahrheit entsprechen. Aber sorgen
Sie sich nicht, guter Mann. Wenn das Vermögen der Sheridans diese Sache nicht
beilegen kann, dann wird nichts mehr dem Mädchen helfen.«
»Ich muß
gehen.« Didier sah sich plötzlich in der Bar um, als könnte jeden Moment jemand
hereinkommen, der ihn kannte – und den er fürchtete. Glassie hätte gern
gewußt, wer das sein könnte.
»Ja, aber
wollen Sie Ihre Nichte denn nicht mehr treffen? Sie suchen Sie vier Jahre lang
und flüchten dann in dem Augenblick, wo sie eintreffen soll?«
»Wovon
reden Sie?« Die Betroffenheit war aus der Stimmes des Mannes verschwunden und
durch Zorn ersetzt worden.
»Die
Zeitung. Sie haben den Artikel nicht zu Ende gelesen. Die Union Pacific trifft
morgen hier ein und fährt weiter nach New York. Ihre Nichte wird im Zug sein.«
Glassie war
sich nicht sicher, aber er glaubte, Freude auf
Didiers Gesicht zu erkennen. Es könnte die Freude sein, seine Nichte nach all
der Zeit wiederzusehen, aber auf einmal kamen Glassie Zweifel.
»Natürlich
muß ich sie sehen.« Ein Lächeln erhellte Didiers Gesicht. Glassie fand den
Anblick entschieden unangenehm.
Die Männer
standen auf, denn plötzlich herrschte zwischen ihnen eine merkwürdig frostige
Stimmung. Glassie warf eine Fünfundzwanzigcentnote auf den Tisch, ohne
anzubieten, den anderen Mann einzuladen, wie er es bei einem anderen getan
hätte, der ihm nicht soviel Unbehagen bereitete. »Gute Nacht, Sir. Ich wünsche
Ihnen Glück beim Treffen mit Ihrer Nichte.«
»Vielen
Dank.« Didiers Augen waren wie Eis auf einer Teichoberfläche.
Henry
Glassie verließ die Bar. Plötzlich wünschte er sich nur noch, sich an einem
Herd wärmen zu können.
Kapitel 26
Der Zug
hatte zwei Stunden
Aufenthalt in St. Louis. Man empfahl den Passagieren, sich in der frischen,
kühlen Frühlingsluft die Beine zu vetreten oder sich vielleicht im berühmten
Faileigh Hotel einen Rum-Punch zu genehmigen.
Christal
wurde kein solcher Luxus zugestanden. Sie blieb unter Aufsicht der Marshals in
dem stickigen Wagen und war zufrieden, einfach nur an Cains Brust gekuschelt zu
dösen, während er die St. Louis Zeitung las.
Im
Handumdrehen setzen sie sich wieder in Bewe gung. Der Zug kam ruckend und
gemächlich in Fahrt, während der Wasserdampf über den großen Bahnhof waberte.
Er war eben erst fertiggestellt worden und sollte schon erweitert werden. Der
weite wilde Westen würde bald gezähmt sein.
Stunden
verstrichen, während der Zug sich durch weitere Präriestriche pflügte. bis die
Gegend sich immer mehr in Akerland. Weiden und Baumbestände verwandelte.
Christal war fast eingeschlafen, als plötzlich eine vertraute Stimme durch
ihren Schlummer drang.
»Mein guter
Mann! Und Mrs. Smith ... oder sollte ich Sie lieber Miss van Alen nennen? Wie
schön, Sie mal wieder zu treffen. Ich habe oft an Sie beide denken müssen.
Sehr oft!«
Christal
öffnete die Augen. Es war kein Traum, sondern Wirklichkeit. Mr. Glassie stand
vor ihnen und wirkte ebenso gepflegt wie damals, als er in die Overland
Express-Kutsche eingestiegen war.
»Glassie«,
grüßte Cain und stand auf. »Was führt Sie denn hierher? Sind Sie in St. Louis
zugestiegen?«
»Genau so
war es. Ich bin auf dem Weg zurück nach Paterson, um mich mit dem Präsidenten
meiner
Weitere Kostenlose Bücher