Meagan McKinney
Porzellan-Exporte enthielten, die
über den kurzen Weg durch die Prärie aus San Francisco geliefert wurden. Das
Gepäck der Reisenden war überall dort dazwischengestopft, wo noch Platz war –
außer in einer freien Ecke, wo durch ein Loch im Dach permanent Schmelzwasser
hereintropfte. Die einzigen bemerkenswerten Gepäckstücke waren ein oder zwei
lederne Koffer, ansonsten war das Abteil mit gewöhnlichen Strohkörben oder
großen, abgenutzten Kleidersäcken angefüllt, die ganz offensichtlich
Erbstücke der Vorfahren waren.
Glassie
seufzte. Hier war niemand. Er drehte sich um, um wieder zurückzugehen.
Den
Knüppel, der auf seinen Kopf niedersauste, sah er nicht mehr.
»Es
scheint kein Passagier
im Zug zu sein, der der Onkel dieses Mädchens ist«, flüsterte Rollins Cain zu.
Er warf einen verstohlenen Blick zu Christal, die nervös das vor ihr
liegende Abteil absuchte. »Wir haben den ganzen Zug überprüft. Ich denke, wir
können jetzt auf unsere Plätze zurückgehen. Wenn wir in Abbeville halten,
lassen wir jeden neuen Fahrgast genau inspizieren.«
Cain sah
Christal an. Dann nickte er.
Rollins sah
sie nun auch unverhohlener an. »Wissen Sie, Cain, man sagt, sie ...«
»Es ist mir
egal, wer was sagt. Sie hat es nicht getan.« Cains Flüstern klang wie das
Zischen des Dampfes.
»Und wenn
doch? Was ist, wenn die Geschichte über ihren Onkel bloß eine Erfindung ist –
eine Illusion, in der sie sich flüchten kann?«
Rollins
trat vor dem eisigen Blick Cains unwillkürlich zurück. »Ich sage es Ihnen nur
einmal: Sie hat es nicht getan.« Dann gewann er seine Haltung zurück und
fügte hinzu: »Im übrigen hat Henry Glassie von ihrem Onkel gesprochen. Wenn es
den Mann nicht gäbe, wie hätte Glassie ihn dann treffen können?«
»Vielleicht
sucht der Onkel sie ja einfach aus anderen Gründen. Wenn sie aus einer Anstalt
geflohen ist ...« Wieder warf Cain ihm diesen eiskalten Blick zu, aber Rollins
sprach tapfer weiter. »Sie ist immerhin aus einer Anstalt geflohen, das
bestreiten Sie ja auch nicht. Möglicherweise hat sich ihr Onkel ernsthaft
Sorgen gemacht und sich auf die Suche nach ihr begeben. Nun, da er sie
gefunden hat, fährt er zurück nach New York, um sich mit dem Rest der Familie
zu treffen.« Rollins Miene wurde weicher. Er nickte Cain kumpelhaft zu. »Sie
ist wunderschönes Mädcehn, Cain. Sie kann einem schon das Herz brechen. Jeder
kann verstehen, daß Sie sich in sie verliebt haben. Dennoch müssen Sie in
Betracht ziehen, daß sie vielleicht
etwas gestört ist. Sie hat einiges durchgemacht – hat ihre Eltern im Feuer
sterben sehen, wurde in eine Anstalt gesteckt ... Gott allein weiß, was sie
dort alles hat erleben und ertragen müssen. Vielleicht ist diese Geschichte
über ihren Onkel wirclich nur etwas, das sie sich in ihrer Not ausgedacht hat.«
»Wenn wir
in New York ankommen, werde ich diese Dinge mit ihrem Schwager und ihrer
Schwester besprechen. Und sie werden ihre Version der Geschichte bestätigen.«
»Kein
anderer aus der Familie hat je Baldwin Didier angeklagt. Ich habe nach New
York telegraphiert, bevor wir nach Noble kamen, um mehr Informationen zu
erhalten. Es ist wahr, Cain. Ich konnte bloß nicht ertragen, Sie ...«
»Ihr Onkel
hat dieses. Halbblut geschickt, um sie töten zu lassen. Er hatte das Plakat bei
sich. Das beweist ihre Version.«
»Es war ein
gewaltiges Kopfgeld auf sie ausgeschrieben. Das Halbblut wollte das Geld, das
war's. Wahrscheinlich hat er ihren Onkel niemals getroffen.«
»Warum
erzählen Sie mir das alles?« Cain warf erneut Christal einen Blick zu, die den
mit Teppich ausgelegten Gang des Erste-Klasse-Wagens entlangging, um sich die
Gesichter der Passagiere anzusehen. Sein Blick war voller Sorge – und Liebe.
»Ich
erzähle Ihnen das, weil ich denke, Sie sollten sich von diesem Mädchen
zurückziehen. Sie können nichts tun, was ihre Familie mit all ihrem Geld nicht
zehnmal besser kann. Sheridan ist einer der reichsten Männer New Yorks.«
»Ich weiß
das ...«
»Was können
Sie denn für Sie tun, was er nicht kann? Warum wollen Sie sich von den
Problemen dieses Mädchens zugrunderichten lassen? Das ist es nicht wert, die
Sache wird böse ausgehen. Sie wird ins Gefängnis müssen, ich sehe keine
Möglichkeit, daß sie darum herumkommt. Es gibt keine Beweise daß sie unschuldig
ist.«
»Sie ist unschuldig.« Cain schloß die Augen, als könnte er den Anblick von Christals
Gesicht nicht mehr ertragen, wie sie in ihrer Verzweiflung den Waggon
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