Meagan McKinney
aufgetaucht.
»Vielleicht
solltest dich auf den Weg machen und ihnen selbst telegraphieren«, sagte sie zu
Macaulay, während sie sich vom Fenster abwandte.
Von seinem
Stuhl aus starrte er sie an. Er hatte die Beine ausgestreckt, die Arme über der
Brust gekreuzt und mimte eine Gelassenheit, die er, wie sie wußte, nicht
empfand.
»Sie werden
schon kommen«, antwortete er grimmig.
»Vielleicht
ist Jericho etwas zugestoßen. Ich mache mir sorgen um Ivy. Sie ist ganz allein
in seiner Hütte.« »Ich werde am Nachmitttag hinüberreiten.«
»Bitte nimm
mich mit.« Sie sah ihn hoffnungsvoll an. Was würde sie nicht alles für einen
Ritt durch die Prärie gebe. Einen letzten Augenblick der scharfen Winde, des
weiten Himmels – und der Freiheit!
»Natürlich.
Ich werde dich kaum hierlassen. In einer Stunde reiten wir los.« Er stand auf
und warf einen Blick aufs Bett. Darauf lag das blaue Kleid sorgfältig
ausgebreitet. »Du hast es fertig genäht. Warum ziehst du es nicht an?«
»Ich spare
es mir für eine schöne Gelegenheit auf.«
Er sah sie
kurz an, und seine kalten Augen erfüllten sich mit Wut und Schmerz, wie die
eines Wolfes, der in eine Falle geraten war. »Dann wirst du es bald tragen. Das
verspreche ich dir, Mädchen.«
Sie
lächelte nur und hoffte, er würde ihre Trauer nicht sehen.
Ivy
brach fast in
Tränen aus, als sie die Heimstatt erreichten. Sie war krank vor Sorge über
Jericho, und obwohl die Hütte recht gut ausgestattet war, konnte sie doch nicht
einmal mit Ivys Zimmer im Saloon konkurrieren. Ohne Jericho hatte Ivy es
schwer, mit allem zurechtzukommen.
Ivy und
Christal fuhren den Muli-Karren, während Cain auf seinem Appaloosa den Pfad vor
ihnen ausmachte. Gegen Abend rollten sie mit einem vollkommen
matschverklebten Muli in Noble ein.
Der Schmied
nahm sich des Tieres und des Karrens an, dann teilte er Cain kurz etwas mit,
was diesen dazu veranlaßte, sich schnell zum Gefängnis hin umzudrehen.
Fünf Pferde
waren davor festgemacht. Die Marshals waren angekommen.
»Komm,
Liebling. Es ist Zeit.« Cain schlang seinen Arm um ihre
Taille, während Ivy nur die Pferde der Marshals anstarrte, ohne die Sorge in
ihren Augen verbergen zu können.
Christal
ging mit ihm über den Holzsteig hinüber, als wären sie bloß ein Paar, das ein
bißchen herumbummelte. Cain wirkte so stark und selbstsicher. Sie gab sich
Mühe, nicht in seine Augen zu schauen.
»Schläfst
du?«
Christal
schüttelte den Kopf und sah weiter aus dem Zugfenster. Sie waren nach Süden
geritten und hatten in Addentown den Union Pacific erwischt, und nun donnerten
sie in östlicher Richtung durch die Ebenen. Durch flache, schneebefleckte
Monotonie.
»Du
scheinst überhaupt nicht mehr zu schlafen, Mädchen. Du mußt doch müde sein.«
Cain verlagerte sein Gewicht in seinem Sitz. Der Wagen war voller Leute. Zwei
Frauen kümmerten sich um ihre Babies am Herd, während über ihnen Leinen voller
wollener Wäsche trockneten. In der kältesten Ecke spielten Rollins und einige
andere Marshals, die sie nie zuvor gesehen hatte, mit anderen Männern Karten.
Der ganze Wagen stank nach Zigarrenqualm und nassen Schafen, die zur Schur
bereit waren.
Macaulay
und Christal saßen abseits von den restlichen Passagieren im Waggon. Sie
unterhielten sich ruhig und leise und hörten nur dann und wann auf, wenn
Christal eindöste und den Kopf auf Cains Brust bettete. Alle schienen sie
absichtlich allein zu lassen, als wären sie zwei Verliebte, die nicht gestört
werden sollten.
»Was
glaubst du, wo er jetzt ist?« flüsterte Christal und sah blicklos in das
sonnendurchflutete Grasland, das am Fenster vorbeirauschte. »Dein Onkel?«
»Ja.«
»Ich weiß
nicht.«
»Er kann
überall sein. Oder nirgendwo.«
»Wir werden
ihn finden. Ich habe jeden, der mir einen Gefallen schuldet, dazu angehalten,
sich nach ihm zu erkundigen. Dein Schwager sucht auch. Es wird nicht lange
dauern.«
Sie gab
keine Antwort. Sie kuschelte sich einfach dichter an ihn, schloß die Augen und
ließ das rhythmische Rattern des Zuges ihren Körper und ihr müdes Herz
einlullen.
An jenem
Mittwoch abend war
das Fairleigh Hotel gerammelt voll mit einer ganzen Zugladung wohlhabender
Passagiere aus Pittsburgh. Es gab kein einziges freies Zimmer, aber als ein
gewisser Gentleman das Haus betrat, schien irgendwie aus dem Nichts eine Suite
freizuwerden, was bei den wartenden Menschen, die in der Lobby herumlungerten
und darauf warteten, ein angemeldeter Gast würde vielleicht nicht
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