Meagan McKinney
seinem haßerfüllten
Gesichtsausdruck nur noch jünger aussah. Cain gab keine Antwort. Christal
wußte, daß seine Schulter ihm immer noch Beschwerden bereitete, zumal der
Kampf mit Kineson die Wunde wieder aufgerissen hatte. Er hatte den ganzen
Nachmittag beim Doktor verbracht, und hier stand nun der Junge, der ihn
angeschossen hatte. Und er forderte ihn heraus, seine Waffe zu ziehen.
»Sie
sollten nicht zulassen, daß er sich Ihnen nähert, Ma'am«, sagte Pete und riß
als Zeichen des Respekts seinen Hut vom Kopf. »Es kümmert mich nicht, wer er
jetzt ist. Wir haben alle gesehen, wie schlecht er Sie im Saloon behandelt
hat.«
»Er konnte
nicht anders«, sagte sie, während es in ihrem Kopf zu pochen begann. Sie konnte
sich jetzt nicht mit Pete auseinandersetzen. Nicht jetzt, wo sie gerade
fünfhundert Dollar verloren hatte und damit die Chance, Gerechtigkeit zu
bekommen, nur weil Reporter morgen früh in Camp Brown einfallen würden.
»Ach,
nein?« Der Junge zog seine Oberlippe, auf der jugendlicher Flaum zu wachsen
begonnen hatte, verächtlich hoch.
»Ich bin es
nicht gewohnt, Kinder zu erschießen, Junge«, mischte Cain sich mit eiskalter
Stimme ein. »Aber du solltest wissen, daß ich Geschmack daran finden könnte.«
»Oh ja, ich
hätte wirklich Lust auf ein Duell mit Ihnen, Cain. Sie müssen lernen, wie man
eine Lady behandelt!«
Christal
schnappte nach Luft. Der Mut des Jungen konnte ihn zum Verhängnis werden.
»Nein, Pete. Denk nicht einmal daran. Er hat mir nichts getan. Nicht wirklich.
Und was er getan hat ... nun, das mußte er. Er mußte die anderen überzeugen,
daß er einer von ihnen war. Ich habe ihm verziehen. Und das solltest du auch.«
»Er hat sie
schlimm behandelt.« Pete wandte sich ihr zu. Sie sah die Bewunderung in seinen
Augen, und wenn sie es
nicht besser gewußt hätte, dann würde sie annehmen, dieser Junge von knapp
sechzehn Jahren hätte sich in sie verliebt.
Sie
berührte seinen Arm. »Was geschehen ist, ist geschehen. Wenn Macaulay sich
nicht als Gentleman gezeigt
hat, dann nur, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Ich kann ihm deswegen nicht
böse sein. Du auch nicht.«
»Er ist auf
jeden Fall nicht gut genug für Sie, Ma'am.« Er blickte sie mit hoffnungsvollen
Augen an.
»Eine so
schöne Frau wie Sie muß umworben werden. Jetzt, wo Pa und ich unser Geld
wiederhaben, bin ich dazu in ... in der Lage.«
Die
Leidenschaft und die Aufrichtigkeit des Jungen rührte sie. Während der
Gefangenschaft, während den
ganzen letzten Jahre, die sie im Westen verbracht
hatte, war er bisher der einzige, der sich ihr gegenüber wirklich ritterlich
verhielt. Impulsiv streckte
sie ihre Hand aus und legte sie auf seine weiche, glatte
Wange, wobei sie es bedauerte, ihn nie wieder zu sehen. »Ich habe mich so
danach gesehnt, Worte wie
diese zu hören, Pete«, flüsterte sie liebevoll. »Du wirst niemals wissen, wie
ich sie hüten werde, wenn du verheiratet bist und mich lange vergessen haben
wirst.«
Der Junge
besaß nicht den Mut, ihre Berührung zu erwidern. Er stand nur da auf einem
Fleck, während seine Augen die Gefühle reflektierten, die ihn nun zu einem
ungeschickten Liebesgeständnis zu drängen schienen. Dann konnte er sich
schließlich nicht mehr beherrschen und platzte heraus: »Mrs. Smith, ich muß
Ihnen sagen ...«
»Ein
andermal, Junge«, unterbrach ihn Macaulay und legte lässig seinen Arm um
Christals Taille. Er führte sie fort, und Christal ließ sich mitziehen, erleichtert,
daß er es verhindert hatte, daß sie Petes Zuneigung enttäuschen mußte. Aber
sie war auch traurig: Sie würde diesen Jungen mit den Mut eines Löwen nie
wieder sehen.
»Du hättest
freundlicher zu ihm sein können«, beschwerte sie sich, als sie den
Exerzierplatz überquerten.
»Dieser
verdammte Narr von einem Halbwüchsigen hat auf mich geschossen. Warum sollte
ich freundlich zu ihm sein?«
»Er hielt
dich für einen Verbrecher.«
»Es scheint
mir ein bißchen vermessen von ihm, sich als Beschützer einer erwachsenen Frau
aufzuführen.«
»Er ist
nicht viel jünger als ich.«
Sein
Lächeln war spöttisch. »Warum verteidigst du ihn, Christal? Raubst du gerne
Wiegen aus?« Er lachte plötzlich auf. Ihr ging zuviel im Kopf herum, um
mitlachen zu können.
Sie hatten
die Tür zu ihren Quartieren erreicht. Cain hielt an und sah sie abwartend an.
»Also, ich
... ich muß jetzt gehen. Ich brauche wirklich Schlaf.« Christal fühlte sich
plötzlich betrogen. Es gab soviel, was sie ihm sagen
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