Meagan McKinney
daß selbst ein einfacher Mann noch einen finden
konnte, der tiefer stand und den er unterdrücken konnte. Das Land hatte einen
ganzen Krieg ausgetragen, damit der schwarze Mann frei sein konnte. Dennoch
konnte ein Farbiger immer noch nicht einfach in einen Saloon in einer
gottverlassenen Stadt wie Noble marschieren und einen Drink bestellen oder mit
einem hübschen Mädchen plaudern. Statt dessen mußte er an die Hintertür klopfen
und sich in der Küche verstecken. Wenn es draußen warm war, wartete Jericho
draußen auf dem Verandadach hinter dem Saloon, bis Ivy sich von den Kunden freimachen
konnte, und wenn es kalt war, hatten sie nicht einmal das. Nun konnte Jericho
Ivy nur unter Schwierigkeiten und hinter Faultys Rücken treffen.
»Willst du
einen Whisky?« fragte Christal den muskulösen Schwarzen.
Jericho
nickte. Er legte die nötigen Münzen auf den Tisch.
»Ich hol
ihn dir.« Ivy stand vom Tisch auf und drückte seine Hand. Die ihre wirkte fast
weiß im Gegensatz zu seiner sehr dunklen Hautfarbe.
»Nein.«
Christal hielt sie auf. »Ich geh' schon. Wenn Faulty dich mit dem Whisky in die
Küche laufen sieht, weiß er gleich, was gespielt wird.«
»Danke.«
Ivy lächelte und sah dann wieder den Mann an. Jericho war ein Freigelassener
aus Missouri, der Grundbesitz bekommen hatte – ein Heimstättensiedler. Er war
nur mit einem Muli nach Wyoming gekommen, um Weizen anzupflanzen und war damit
recht erfolgreich gewesen. Der Boden war nicht fruchtbar genug gewesen, um ihn
reich zu machen, aber als der Acker ausgelaugt war, hatte er genug Geld
gespart, um Vieh zu kaufen. Viele Leute meinten, darin läge die Zukunft des
Landes, aber diese Zukunft war noch nicht eingetreten. Jericho lebte immer noch
in seiner klapprigen Hütte, weil er sich nicht genug Holz besorgen konnte, um
ein richtiges Haus zu bauen. Und obwohl jedermann wußte, wie sehr er Ivys
Beruf haßte, konnte er sich nicht überwinden, sie aus der Wärme und der
Bequemlichkeit des Saloons zu holen, bis er ihr etwas Angemessenes bieten
konnte.
Doch selbst
jetzt konnte Christal erkennen, daß Ivy das Warten nichts ausmachte. Sie würde
noch heute abend mit ihm gehen, wenn Jericho sie nur ließe. Kein Mann hatte sie
je so liebevoll behandelt wie Jericho. Er redete mit ihr, fragte nach ihren Gefühlen.
Er brachte sie zum Lachen. Er erzählte ihr lustige Geschichten über das harte
Leben in seiner winzigen Hütte, wie er tagelang dem Himmel nicht sehen konnte,
wenn die Bretterbude unter einer zehn Fuß hohen Schneedecke begraben war, wie
der Inhalt seines
Nachttopfes schon gefror, bevor er noch davon wieder herunterkam. Christal
konnte nicht begreifen, warum Menschen wie Jericho nicht in den Saloon durften.
Als schwarzer Mann würde man ihm niemals erlauben, mit einem Mädchen
hinaufzugehen. Die Cowboys jedoch, die so widerlich werden konnten, besonders
wenn sie getrunken hatten, durften es, weil sie weiß waren und daher für »gut
genug« befunden worden waren, sich in Ivys oder Dixis Schlafzimmer aufzuhalten.
Die beiden
redeten jedoch immer wieder davon, daß sie in diesem Frühling endlich frei und
zusammen sein konnten. Jericho hoffte, mit seinem Vieh genug Geld zu verdienen,
falls die Kälte und die Wölfe den Bestand nicht bis dahin dezimiert hatten.
Wenn er gute Verkäufe machte, würde er ausreichend Geld haben, um Ivy zu
heiraten. Christal drückte ihnen feste die Daumen. Wenn Ivy heiratete, dann
wäre wenigstens eine entkommen. Denn jedesmal, wenn Christal an den
gedankenverlorenen Mann in der Saloonecke dachte, war sie sich nicht mehr
sicher, daß sie die erste war.
»Ich komme
gleich mit dem Whisky zurück«, sagte sie, während sie sich ihre Schürze abband.
Sie wünschte, sie hätte ihn holen können, ohne an die Bar zu müssen. Sie
fürchtete sich erstaunlich heftig davor, in den Saloon zu gehen und Dixi
beineschwingend auf dem Schoß des Sheriffs zu sehen.
Sie schloß
die Tür hinter sich und gab sich größte Mühe, nicht zu Cains Ecke
hinüberzuschauen. Das Geschäft lief gut, und Faulty war damit beschäftigt,
hinter der Bar Drinks einzuschenken. Sie bestellte einen Whisky, wobei sie es
immer noch vermied, nach Dixi zu sehen oder ihren Blick in die Ecke wandern zu
lassen.
»Noch einen
für diesen verdammten Sheriff?« fluchte Faulty, als er einem Cowboy das Glas
hinüberschob.
Sie
antwortete nicht und war nur froh, daß er zu beschäftigt war, um zu bemerken,
von wo sie gekommen war.
Er gab zwei
Finger Whisky in ein Glas und
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