Meagan McKinney
ihr
mindestens Satan persönlich. Ihr Onkel hatte bewiesen, daß er es nicht wert
war, die Nachttöpfe der van Alens zu leeren. Aber tatsächlich war dieser Ire,
Trevor Sheridan, der wahre Grund für aII ihr Elend. Ihr Onkel hatte gewiß viel
dazu beigetragen, und sie würde ihm niemals verzeihen. Doch es war eine
Tatsache, daß der Ire ursprünglich das Feuer gelegt hatte.
Während sie
darüber nachgrübelte, fixierte sie ihn mit kalten, grünen Augen. Sie
wußte, daß sie nach außen hin wie eine Eisprinzessin wirken mußte, doch
innerlich brannte sie vor Scham, als sie daran dachte, daß sie vor diesem Mann
wie eine entflohene Sklavin an ein Geländer gefesselt gewesen war.
Sie
betrachtete ihn über den Tisch hinweg. Obwohl sie erschöpft, erledigt und am
Ende war, benahm er sich ihr gegenüber so kühl und förmlich, als würde er ein
Geschäft mit einem Bankdirektor abschließen. Und während sie ihn musterte,
wurde sie noch zorniger. Sie fragte sich, wie er so berechnend und
emotionslos sein konnte. Er hatte all ihr Geld genommen und hatte
nun nicht einmal die Güte, ihr eine Decke anzubieten.
Sie sah ihn
genauer an. Ihr Gastgeber, wenn man diesen Schuft überhaupt als solchen
bezeichnen durfte, war mit einer schwarzen Hose und einem Paisley-Hausmantel
aus burgunderroter Seide be kleidet. Ihr unerwartetes Auftauchen hatte ihn
offenbar überrascht, denn an seinem Hemd fehlte der gestärkte Kragen, und ein
offener Knopf an seinem Hals enthüllte eine dichtbehaarte Brust. Während er ein
Schriftstück durchging, hielt er den Kopf gesenkt, und die Flamme der
Gaslampe beleuchtete sein Profil. Er war ein gutaussehender Mann. Sein Haar
war gelockt, und sie glaubte, daß es schwarz sein mußte, doch in dem trüben
Licht der Lampe war das schwer zu sagen. Im Augenblick sah er sie nicht an,
doch sie hatte seine Augen gesehen, als sich ihre Blicke vorhin trafen, und sie
wußte, daß diese besondere dunkelbraune Farbe nur von seinem irischen Erbe
stammen konnte.
Plötzlich
durchlief sie ein Schauer, den sie nicht unterdrücken konnte. In einem
sinnlosen Versuch, sich wenigstens ein bißchen zu wärmen, rieb sie sich
zitternd die nackten Oberarme. Das schien schließlich seine Aufmerksamkeit zu
erregen. Er sah von der Tischplatte auf, und sein Blick wanderte langsam über
ihr wertvolles, nun völlig ruiniertes Kleid, wobei er ihrem blumenbestickten
Mieder und der Art, wie sie sich besiegt und verzweifelt an ihre himmelblaue
Schleppe klammerte, besonders viel Aufmerksamkeit schenkte. Plötzlich wurde
das Schweigen in der Bibliothek unerträglich.
»Miss van
Alen?« fragte er überflüssigerweise und zerbrach damit die Grabesstille
des Raumes.
Sie gab ihm
keine Antwort, sondern warf ihm nur einen frostigen Blick zu, den die
Schamesröte auf ihren Wangen Lügen strafte.
Dann begann
er, das Papier vor ihm zu prüfen und las ihr schließlich mit besonders
deutlicher, ja, fast gekünstelter Aussprache daraus vor. »Sie sind Miss Alice
Diana van Alen, wohnhaft Washington Square Nummer 38. Man betrachtet Sie als eines der
kostbarsten Juwelen der Stadt New York. Ihre Familie besitzt die Loge in der
Academy of Music seit ewigen Zeiten, hatte sie schon, noch bevor die illustre
Caroline Schermerhorn ihre Pranken auf den alten Bacchouse legte. Ihre
Vorfahren besaßen Anteile an der Dutch West Indian Company, und Sie können
Ihren Stammbaum bis auf die Schuylers, die Philipses, die van Rensselaers, ja
selbst bis auf Peter Stuyvesant zurückverfolgen.« Er sah auf. »Habe ich die
richtige Frau? Habe ich es korrekt wiedergegeben?«
Alana
empfand plötzlich heiße Wut. Anstatt zu frieren, kochte sie nun. Dieser Mann
betrachtete sie, als wäre sie eine tote Dichterin, deren bedeutungsloses Leben
man in ein paar Sätzen zusammenfassen konnte.
»Nein, Sie
haben es nicht korrekt wiedergegeben, Mr. Sheridan«, sagte sie in einem
Tonfall, der Frostbeulen verursachen konnte. »Er hieß Petrus. Ich bin
verwandt mit Petrus Stuyvesant.«
»Natürlich.
Mein Fehler.« Ihre Blicke trafen sich einen Augenblick, und als wollte er sich
über sie lustig machen, nahm er das Blatt und korrigierte mit lächerlicher
Sorgfalt den falschen Namen.
Alana stand
auf und beugte sich über den massigen Rosenholztisch. Mit einer Forschheit,
die ihr ausgekühlter, zitternder Körper kaum zuließ, langte sie nach dem Papier
und zerknüllte es. Dann richtete sie sich wieder auf und sah ihn herausfordernd
an.
Er wirkte
beinah überrascht. Er hob eine Augenbraue,
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