Meagan McKinney
Butler sie in
ein Zimmer im oberen Stockwerk, das einer Marie Antoinette angemessen gewesen
wäre – betrachtete man zumindest die Engel, die an die Decke gemalt waren, und
die rosa Einrichtung der Suite. Offensichtlich sollte sie sich hier etwas ausruhen,
was ihr in Anbetracht ihrer Lage vollkommen unmöglich erschien. Doch so
verzweifelt, frierend und erschöpft wie sie war, konnte sie sich kaum etwas
schöneres vorstellen, als sich zu trocknen und aufzuwärmen.
Zu ihrem
Erstaunen tauchte plötzlich ein Heer von Dienerinnen auf, die ihr bei ihrer
Toilette behilflich sein wollten. Und Alana spürte wieder, wie der Protest in
ihr hochkam. Eine ältere Frau, die sich als Haushälterin vorstellte, versuchte,
sie in das pompös ausgestattete Ankleidezimmer zu drängen, wo eine französische
Porzellanwanne mit dampfenden, nach Rosen duftendem Wasser stand. Doch Alana
weigerte sich standhaft. Sie war weder Herrin noch Gast in diesem Haus. Es
würde ihr schon schwer genug fallen, sich eine von Sheridans Decken um die
Schultern zu legen, aber so weit nachzugeben und in diesem Haus zu baden,
wollte sie sich keinesfalls gestatten.
Schließlich
mußte sie aber dennoch aufgeben. Nicht weil sie plötzlich Sheridan vertraute
oder weil ihr Bestreben, ihn zu bekämpfen, besänftigt worden war. Sondern
vielmehr, weil die Dienerinnen unschlüssig und ohne etwas zu tun
herumstanden und sie in ihrem schmutzigen, nassen Kleid mitleidig ansahen, als
wäre sie eine heruntergekommene Göre aus der Gosse. Voller Verachtung für sich
selbst sank Alana also doch endlich in die heiße Wanne, wobei ihr Stolz zusätzlich
durch ein unwillentlich wohliges Stöhnen erschüttert wurde. Sie hatte sich
ergeben, doch nur für diesen Augenblick, versicherte sie sich selbst.
Wenn sie ihre Kräfte wieder gesammelt hatte, würde sie weiterkämpfen!
Man gab ihr
ein mädchenhaftes rosafarbenes Wollkleid, das wahrscheinlich Mara Sheridan gehörte,
denn es war ein wenig zu eng. Alana beschloß, es anzuziehen, bis sie ihr Kleid
wiederbe kam, welches sie in der Wäscherei vermutete. Als ihr Haar endlich
wieder zu einem ordentlichen Knoten im
Nacken gesteckt war, hockte sich Alana auf einen
goldornamierten Stuhl und versuchte krampfhaft, an den enormen Rokoko-Spiegeln
vorbeizuschauen.
Die Spiegel logen nicht, und immer wenn ihr Blick doch in einen
fiel, sah sie eine übermüdete junge Frau mit bleichem Teint und einer Prellung
im Gesicht. Puder, um das Mal abzudecken, hatte sie nicht.
Erschöpft
kämpfte sie gegen den Wunsch zu schlafen an und grübelte statt dessen über
ihre Lage nach, bis sie die
Ausweglosigkeit halb wahnsinnig machte.
Aber bis
ihr Kleid zurückgebracht wurde, konnte sie ohnehin nichts unternehmen, und so saß sie dort, wartete und
kämpfte tapfer gegen den Schlummer an, der sie
immer wieder übermannte. Sie nickte gerade zum dritten Mal ein, als die Haushälterin sie erneut
ansprach. »Möchten Sie sich eine Weile ausruhen, Miss, oder soll ich das
Mädchen schicken, um Ihnen Ihr Frühstück zuzubereiten?«
Alana
schreckte auf und sah die Frau an. Was war denn los? Die Diener benahmen
sich, als sei sie gerade
eingezogen. Mißtrauisch entgegnete sie: »Bitte machen Sie sich keine Mühe. Sie haben gewiß andere Aufgaben zu erfüllen!«
»Ich habe
besondere Order, mich zuallererst um Ihre Wünsche zu kümmern. Mr. Sheridan
selbst besteht darauf.«
Alana war
vollkommen verblüfft. Sie faßte sich aber wieder und sagte: »Könnte ich bitte
mein Kleid wiederhaben? Ich muß mit Mr. Sheridan sprechen, bevor ich gehe.«
»Es tut mir
leid, Miss, aber Mr. Sheridan ist momentan
beschäftigt. Er trifft die nötigen Vorbereitungen für die Hochzeit.«
Alana
fühlte sich, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten. »Die Hochzeit?«
wiederholte sie ungläubig. »So bald?«
»Er ist zu
Ihrem Onkel gefahren.«
Heiße Panik
überfiel Alana. Sheridans Starrköpfigkeit durfte nicht unterschätzt werden. Er
hatte sich bereits voll in die Ausführung seines Planes gestürzt. Sie verspürte
erneut den dringenden Wunsch, Sheridan zu schlagen, doch gleichzeitig wurde
ihr ihre ausweglose Situation bewußt.
Alana
schloß die Augen und wünschte sich inbrünstig, sie könnte dem Wunsch nach
Schlaf nachgeben, um einfach aufzuwachen und festzustellen, daß alles bloß ein
schrecklicher Alptraum gewesen war. Ihre Gedanken wurden noch schwärzer, als
sie an Sheridan dachte. Was würde er wohl Didier erzählen? Ob er ihm Banknoten
zuschob, um sie wie ein
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