Mecklenburger Winter
breit. „Habe ich vergessen. Sie sind ja so ein Radrennfahrer, der nichts trinkt. Dann gib mir noch ein Wasser dazu.“ Der Imbissinhaber sah Kai mitleidig an, schenkte ihm jedoch sein Mineralwasser ein.
Radrennfahrer! Kai schluckte jede Bemerkung hinunter. In Gegenwart dieses Mannes wird das allmählich zur Gewohnheit, stellte er fest und es behagte ihm überhaupt nicht, denn es entsprach einfach nicht seinem Naturell. Andererseits war dies hier nun mal unbestreitbar Leons Vater, egal welchen üblen Scherz sich die Genetik dabei ausgedacht hatte. Ein wichtiger Grund für Kai, seine vorlaute Klappe weiter zu halten. Freudestrahlend prostete ihm Burghardt mit der Bierflasche zu. „Auf weitere Erfolge!“
„Auf Leon“, bestätigte Kai besonders überfreundlich lächelnd. Lachend kippte dessen Vater die Flasche und trank mindestens die Hälfte schon im ersten Zug. „Der Junge wird mal einer der ganz großen Springreiter“, meinte er. „Der macht eine Lehre in Redefin. Dann kommt er zu den großen Turnieren, und wenn er den Hof übernimmt, wird jeder in Deutschland den Namen Lenkowski kennen.“ Grinsend prostete Burghardt Kai zu und kippte den Rest des Bieres hinunter.
Freche, selbstmörderische Gegenworte lagen Kai auf der Zunge, hüpften wild umher und suchten ein Schlupfloch. Energisch presste er die Zähne aufeinander. Was möchte Leon wohl selbst? Will er den Hof wirklich übernehmen? Aber solche Fragen standen Kai nicht zu. Was wusste er schon von Leons Lebenszielen? Wie jeder Sportler war er ehrgeizig und würde versuchen, in seinem Sport erfolgreich zu sein. Was sprach dagegen?
Dennoch nagte eine leise Sorge an Kai, die er nicht benennen konnte. Leon wirkte noch jung und unsicher. Es war wohl völlig natürlich, dass sein ehrgeiziger Vater da Pläne für ihn schmiedete. Kai schluckte, als er selbst auf den Grund für sein Unwohlsein stieß: Diese Pläne enthielten ganz gewiss keinen Triathleten, der kaum weniger ehrgeizig und zudem hoffnungslos verliebt war. In die Pläne von Leons Zukunft passte er schlichtweg nicht hinein.
Ein anderer Mann, graumeliertes Haare, ein gepflegtes Äußeres, in einen schwarzen Lodenmantel und einer ähnlichen Kopfbedeckung wie der in der Reithalle, trat auf sie zu. Vermutlich ist dies so etwas wie die Standardkleidung für Reitturniere, mutmaßte Kai. Hier würde jemand in einem rosa Outfit wirklich auffallen. Selbst wenn es ein Loden- oder Wachsmantel war. Kai verbarg das sarkastische Grinsen hinter seinem Glas.
Der Fremde nickte Kai höflich zu und begrüßte Leons Vater vertraulich. Augenblicklich wechselte dieser sein Bier und schüttelte die Hand. „Haben Sie sie gesehen? War das ein Ritt?“ Burghardts Augen leuchteten. „Aber ja. Tolle Leistung. Das Pferd hat eine sehr gute Technik“, gab der Fremde erfreut zu. „Ihr Sohn ist ein wirklich guter Reiter.“ Mister Lodenmantel wurde Kai sofort sympathisch.
„Oh ja, das ist er. Hat ja bei mir gelernt.“ Burghardts Brust hob sich vor Stolz. „Der tritt immer mehr in meine Fußstapfen.“ Der andere Mann nickte bedächtig und legte den Kopf ein wenig schräg. „Wollen wir gleich das Geschäftliche regeln?“
„Aber natürlich!“ Rasch stellte Burghardt seine Bierflasche ab, legte dem Imbissinhaber einen Schein hin und wandte sich zu Kai. „Sie entschuldigen mich? Sagen sie Leon, wenn er herkommt doch, er soll am Hänger auf mich warten, wir fahren gleich heim.“ Damit verschwand er mit dem anderen Mann. Missmutig sah ihnen Kai hinterher, trank sein Wasser aus und wartete auf Leon.
Dieser kam nur kurz danach, hatte sich seine blaue Daunenjacke über die Reitkleidung gezogen und Kai konnte nicht verhindern, dass ihm der Blick abrutschte. Beschämt hob er ihn und fixierte Leons Augen, der seine Lippen kurz zusammenkniff, nur um dann zu lächeln. Kai wand sich ein wenig. „Blöde, enge Reithose“, nuschelte er vor sich hin.
„Hallo“, begrüßte ihn Leon verschmitzt grinsend und nickte dem Imbissinhaber grüßend zu. „Eine Cola, Leonard?“, erkundigte dieser sich und schenkte schon ein.
„Hey du hast meinen Ritt gesehen“, stellte Leon fest und trank die Cola gierig. Seine dunkelblonden Haare klebten ihm an der verschwitzten Stirn und er roch intensiv nach Pferd und Stall. Der Geruch war streng, wenngleich nicht unangenehm.
„Eine echt klasse Leistung“, meinte Kai lächelnd. „Ich habe ja keine Ahnung davon, aber war es nicht riskant, da zwischen diesen Holzdingern durchzureiten?“ Leon
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