Mecklenburger Winter
ausklingen. Lachend legte ihm Kai den Arm um die Schultern. „Doch, ich habe welche. Rosa mit Plüsch. Ich zeige sie dir später. Hat mir Basti mal zum Geburtstag geschenkt. Ich habe sie allerdings noch nie ausprobiert.“
Leon lachte auf und schüttelte den Kopf. „Dann lass sie besser da, wo sie sind. Das wäre mir dann doch zu schwul. Komm, ich zeige dir mein Auto.“
Rasch schnappten sie sich ihre Jacken. Kai bekam das zufriedene Grinsen nicht mehr aus seinem Gesicht. So gefiel ihm Leon. Ein erwachsener Leon. Der hoffentlich bald auch erkannte, was und wer er sein wollte. Der Weg erschien mit einem Mal wieder gangbar.
Frühling lag in der Luft, er konnte es riechen, er wusste es. Trotz des leichten Schneefalls, der alles grau überzog. Es wurde Frühling, unwiederbringlich!
32 I was born to love you
„Es ist halt … nicht so dolle.“
Leon und Kai standen vor dem kleinen, grauen Corsa. Es hatte aufgehört zu schneien. Milchiges Laternenlicht beleuchtete das Auto unzureichend. Kalt krochen die letzten Finger des sterbenden Winters unter ihre zu dünne Kleidung. Kai musterte den Opel. Er war gewiss kein Experte, was Autos betraf, dazu spielten sie in seinem Leben eine zu unwichtige Rolle. Auf den ersten Blick allerdings war erkennbar, dass es sich um ein älteres Modell handelte. Der Lack war matt, vereinzelt gab es Kratzer und auch ein paar Beulen.
„Er fährt doch offensichtlich“, gab Kai unverbindlich zurück. „Mehr muss ein Auto schließlich nicht können. Und eine Schwanzverlängerung brauchst du ja weiß Gott nicht.“ Scheiße. Beinahe hätte er sich mit der Hand vor den Mund geschlagen. Verdammtes, loses Mundwerk. Habe ich das denn nie unter Kontrolle? Leider erinnerte er sich nur zu genau daran, wie Leon unten herum aussah. Blöde Bilder, die konnte er nicht gebrauchen.
Leon stieß ihn unerwartet in die Seite und grinste. Ob er wohl so langsam mit meinem Humor klarkommt, fragte sich Kai erleichtert.
„Ja er fährt ganz gut. Meine Oma hat ihn von einem Händler in Schwerin gekauft und der hat ihn mir heute Nachmittag gebracht. Endlich kann ich überall hin, wo ich hin möchte und muss keinen mehr fragen.“ Kai nickte wissend und ging um das kleine Auto herum. Er erinnerte sich an sein erstes und den Spott, den er in der Klasse damit geerntet hatte.
„Mein erster war ein Ford Fiesta“, erzählte er. „Wenn ich damit auf den Schulparkplatz kam, habe ich nur mitleidige oder belustigte Blicke geerntet.“ Leon sah ihn fragend an. „Die Farbe war … nun gewöhnungsbedürftig“, erläuterte Kai schmunzelnd. „Ich hatte es einer alten Frau abgekauft, die eine … nun ... wilde Vergangenheit hatte.“ Leon hob die Augenbrauen hoch, um seinen Mund zuckte es. „Rosa?“
Kai schüttelte sofort verneinend den Kopf. „Oh nein. Damit hätte ich mich dann doch nicht zur Schule getraut. Da hätte ich: „Hier kommt der schwulste Kerl der Schule“ auch draufschreiben können. Wobei es durchaus gestimmt hat. Oder der geilste ...“ Lachend klopfte Kai auf das Blech. „Nein, er war … himmelblau.“
„Was ist daran falsch?“, erkundigte sich Leon, Kai vermeinte einen besorgten Blick zu erhaschen, der dem Auto galt. So rostig wirkt das Teil nun auch wieder nicht, dass es unter meinen liebevollen Schlägen gleich auseinanderfällt. Er erinnerte sich daran, wie sehr er sein erstes Auto gehätschelt hatte. Der erste Kratzer war ein Weltuntergang gewesen. Bis er gelernt hatte, dass Fahrräder die bessere Fortbewegung darstellten.
„Nun, es war nicht nur himmelblau ...“ Kai wischte pflichtbewusst an einem kleinen Kratzer herum. „Es war überall mit Stickern beklebt. Blümchen um genau zu sein. Untenherum wie eine Blumenwiese und die dämlichen Dinger wollten nicht abgehen, ohne den Lack zu beschädigen, also habe ich sie draufgelassen. Fataler Fehler.“
Leon brach in Lachen aus. „Blümchen? So eine Hippiekarre?“ Kai verzog missmutig das Gesicht. „Siehste. Genau so haben die damals auch reagiert. Dabei hatte das Auto gerade mal 50 tausend auf dem Tacho und fuhr vier Jahre lang erstklassig, bis mir einer reingerauscht ist. Da war er hinüber.“
„Der hat dich für eine Blumenwiese gehalten, ganz bestimmt“, brachte Leon glucksend hervor. „Mit einem himmelblauen Blümchenautohimmel wundert es dich?“
Kai starrte ihn böse an, trat rasch neben ihn und nahm ihn in den Schwitzkasten. Leon wehrte sich halbherzig und Kai ließ ihn erst los, als er lachend um Gnade bat.
Weitere Kostenlose Bücher