Mecklenburger Winter
schweigend zu.
„Welche Fächer hast du eigentlich im Abi gehabt?“, erkundigte sich Leon unvermittelt, räkelte sich wohlig und angelte nach ein paar Gummibärchen. „Englisch, Biologie, Geschichte und Sport“, erklärte Kai. „Außer beim Sport war ich echt kein Genie. Es hat dennoch irgendwie gelangt.“ Leon seufzte. „Ich schaffe das nie. Ich bin voll die Niete in Deutsch, und Mathe kann ich auch nicht.“ Kais Finger umkreisten seinen Bauchnabel, wanderten die Linie entlang höher nach oben.
„Du packst das schon. Was willst du eigentlich nach der Schule machen?“ Leon entkam ein weiteres, leises Seufzen und er wandte den Kopf. In seiner Hand lagen die Gummibärchen und er nahm ein rotes heraus. Kai hatte ihm verraten, dass er diese besonders mochte und Leon schob ihm die Süßigkeit in den Mund. Lächelnd nahm Kai sie an.
„Naja, eine Lehre als Bereiter eben“, erklärte Leon und erzählte: „Ich habe doch in Redefin in den Ferien dieses Praktikum gemacht. Die würden mich sofort nehmen. Ich bin ...“ Er brach ab und Kai spürte einen verhaltenen Seufzer. „Ich war im Landeskader Springen und Dressur. Die meinten, es wäre kein Problem dort anzufangen, ich würde gut genug reiten.“ Leiser fügte er hinzu: „Vater meint, ich bräuchte diese Lehre nicht, er könnte mir alles beibringen. Aber meine Mutter will unbedingt, dass ich vorher eine Berufsausbildung mache, bevor ich … Naja ich soll ja irgendwann den Hof übernehmen.“
Begeistert klang Leon nicht und Kai horchte auf. Er schämte sich sofort, doch der Unterton in der Stimme ließ ihn doch vermuten, dass Leon nicht unbedingt davon träumte, sein Leben lang unter der Fuchtel seines homophoben Vaters zu stehen.
„Und was willst du machen?“, wagte sich Kai dann auch weiter vor. Seine Finger wanderten erneut nach unten. Die andere Hand spielte in Leons Haaren. Es war so wundervoll mit diesem jungen Mann auf dem Sofa zu sitzen. Konnte Leon noch immer nicht sehen, dass er einfach hierher, zu ihm gehörte?
Abermals wandte Leon den Kopf und seine Augen musterten Kai ein wenig verunsichert. „Was meinst du damit?“
„Was willst du selbst?“, konkretisierte Kai. „Was ist dein großer Lebenstraum?“ Mit dir zusammenzuleben. Immer und ewig an deiner Seite zu sein. Mit dir aufzuwachen, mit dir zu duschen, mit dir schlafen zu gehen, murmelte Kai seinen eigenen Wunsch in Gedanken inständig vor sich hin. Dich mit Gummibärchen zu füttern, bis du fett wirst. Unwillkürlich musste er lächeln, stibitzte sich ein orangenes aus Leons Hand, strich diesem über die Stirn und erwiderte seinen musternden Blick.
Leon zuckte die Achseln, ließ sich zurücksinken und schob sich die letzten Gummibärchen in den Mund, ehe er antwortete: „Ich weiß nicht. Ich will schon gerne mit Pferden arbeiten und es macht mir ja auch Spaß. Ich unterrichte gerne.“
Macht es dir. Aber nicht mit diesem Vater, der dich gängelt und über dein Leben bestimmt, ergänzte Kai ärgerlich für sich.
„Aber in so einem großen Betrieb …“ Leon brach ab und rutschte unbehaglich hin und her. „Naja, du musst halt jeden Tag mit ganz vielen Pferden arbeiten. Das ist ein bisschen so ein ... Abfertigen halt. Da fehlt mir ...“ Erneut unterbrach er sich, zuckte noch einmal die Schultern und fügte eiliger hinzu: „Ach, ist ja auch egal. Mit Pferden arbeiten macht mir Spaß. Das wird schon werden. Ich kriege das hin. Ich kann eh nichts anderes wirklich gut. “
„Unsinn“, widersprach Kai sofort. „Mit Abitur könntest du doch auch studieren. Etwas, was dir wirklich Spaß macht.“ Leon schnaubte und stieß Kai an, kuschelte sich dichter an ihn. „Ich bin nicht so … schlau wie du. Ich bin froh, wenn ich mein Abi gerade mal so schaffe. Ich war noch nie gut in der Schule. Mutter wollte unbedingt, dass ich Abi mache. Bodo hat nur den Realschulabschluss. Sie hatte einen Riesenkrach deswegen mit meinem Vater. Ich wäre auch lieber schon vorher abgegangen. Er hat nämlich Recht, ich bin nicht gut genug, um zu studieren, also wozu Abitur? Das ist Zeitverschwendung.“
Kai addierte grollend einen weiteren Minuspunkt auf Burghardts Unbeliebtheitsskala, widersprach jedoch nicht. Es hatte eh keinen Sinn. Und ja, er war voreingenommen diesem Mann gegenüber.
Eine weitere Pause entstand, in der sie halbherzig der Handlung des Spielfilms folgten. Leon schnappte sich weitere Gummibärchen und ein rotes verschwand ohne zu Zögern in seinem eigenen Mund. Kai sagte nichts,
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