Mecklenburger Winter
Kai entgeistert an und erkannte im selben Augenblick, dass dieser nur einen Witz gemacht hatte. Er lachte auf und meinte schmunzelnd: „Ich würde dich gerne mal in einem rosa Outfit sehen“ Nun stutzte Kai und dachte sehnsüchtig: „Und ich dich nur in Unterwäsche oder auch ganz ohne.“ Leon erstarrte und schaute ihn überrascht an. Just in dem Moment wurde Kai bewusst, dass er es laut gesagt hatte und er biss sich erschrocken auf die Zunge. Verdammt!
Leon betrachtete ihn lange nachdenklich, während Kais Wangen glühten und ihm partout kein passender Spruch einfallen wollte. Ernst sah Leon ihn an, leckte sich über die sinnlichen Lippen, die Kai so gerne küssen würde, bis sie rot und geschwollen wären.
„Du meinst das ernst, oder?“ Leon blickte Kai unverwandt an. Dieser nickte langsam. Zwecklos, es zu leugnen. Oh ja, würde ich gerne. Ich würde dich ansehen und meine Hände über deinen Körper gleiten lassen, all deine empfindlichen Stellen kennenlernen, dich küssen, bis dir schwindelig wird, bis du stöhnen wirst und dann …
„Aber ich bin nicht schwul“, erklärte Leon leise und ließ Kais träumerische Fantasie grausam mit einem lauten Knall platzen. „Sorry.“
16 Distanzen überwinden
Kai überspielte gekonnt den inneren Aufruhr mit lockeren Sprüchen, dennoch taten ihm Leons Worte tief in der Seele weh. Vor allem weil er ihnen nicht glauben wollte. Das leise: „Sorry“ erschien ihm weniger eine Entschuldigung dafür, dass Leon nicht auf Männer stand, sondern vielmehr, dass er es sich nicht eingestehen konnte. Wie auch? Sein Vater hatte ihm jahrelang eingeprägt, wie verwerflich schwul war. Dieser Mann verteufelte scheinbar alles, was nur im entferntesten unmännlich war und in seinen Augen folglich schwul.
Kai war in seinem Leben schon oft homophoben Menschen begegnet, hatte sich selbst diversen Anfeindungen gegenübergesehen, doch noch nie zuvor hatte er einen Vater erlebt, der seinen eigenen Sohn derartig diskriminierte. Leons Kindheit musste die Hölle gewesen sein. Oder war es immer noch.
Dabei war er ein besonderer Mensch. Kai fühlte den Rest der Wut in sich brodeln. Wie konnte jemand diesen tollen jungen Mann so mies behandeln? Er war stets höflich, hatte eine überaus freundliche, stille Art. Kein Wunder, dass er seinem Vater nichts entgegen setzen konnte. Und seine Mutter schien ihn auch nicht groß zu unterstützen. Vermutlich stand sie ebenso unter dem Pantoffel.
Kai warf Leon einen Blick zu. Sie saßen mit ihren Pizzatellern auf dem Schoß nebeneinander und sahen fern. Neben dem Sofa lag bereits Bettzeug, denn Kai kannte sich gut genug. Kurzerhand hatte er Leon sein Bett angeboten und er würde auf dem weniger bequemen Sofa schlafen. Leon hatte vehement protestiert, bis Kai klipp und klar erklärt hatte, er würde auf dem Sofa oder draußen im Schnee schlafen, in jedem Fall würde Leon in seinem Bett übernachten. Angeblich, damit dieser es besonders warm hatte, nachdem er so ausgekühlt war. Der eigentliche Grund war pragmatischer: Auf dem Sofa würde Kai auf weitaus weniger dumme Gedanken kommen. Sein eigenes Bett war ein zu guter Ort für nächtliche Fantasien. Vor allem wenn der Auslöser nebenan schlief. Diese Nacht musste er sich einfach zusammenreißen. Zum Glück hatte er keine Tendenz zum Schlafwandeln.
„Soll ich bei dir zuhause anrufen, damit deine Eltern wissen, wo du bist?“, bot Kai an. Leons Lächeln erlosch sofort, dennoch nickte er. „Das wäre lieb von dir. Ich … ich kann gerade nicht ...“
„Schon gut!“, unterbrach ihn Kai augenblicklich. „Du musst weder mit ihr noch mit ihm reden. Ich sage ihnen einfach, dass du noch Sonntag hier bleibst und ich dich am Abend heimfahre, okay?“ Leon schluckte und blinzelte. „Okay.“ Hastig wandte er sich seiner Pizza und dem Film zu. Am liebsten hätte Kai ihn noch länger bei sich behalten, doch Montag war Schule.
Kai ging in den Flur und hoffte inständig, dass er nicht Burghardt an den Apparat bekommen würde. Er kannte sich gut genug, er vergriff sich gerne im Ton, wenn man ihn reizte und Leon konnte nicht noch mehr Ärger gebrauchen. Zum Glück war es Leons Mutter.
„Hier ist Kai Strelmann, Leons Freund“, meldete er sich und wurde unterbrochen: „Er ist bei Ihnen?“Anneliese klang sehr erleichtert. „Ja, Leon übernachtet bei mir. Ich bringe ihn morgen Abend wieder heim. Es ist ziemlich glatt heute“, erklärte Kai selbstsicher. Womöglich bestand sie sonst darauf, dass
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