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Freundschafts- und Nachbarschaftsbeziehungen voraus.“ Der Banker, der nach Feierabend in der Punkrockband spielt, ist heute nichts Besonderes mehr.
Für diesen Zustand des modernen Lebens hat der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp den Begriff der Patchwork-Identität geprägt: „Identitätsarbeit [... und ich habe ihre Eigenart mit der Metapher vom ‚Patchwork‘ auszudrücken versucht ...] hat als Bedingung und als Ziel die Schaffung von Lebenskohärenz.“ Dies sei eine kreative Aufgabe, vor der wir stehen. Meine Identität bildet sich aus Teilidentitäten, die ich jeweils als Ausschnitt der Gesamtidentität im Zusammensein mit anderen zeige. Die Menschen „basteln sich aus vorhandenen Lebensstilen und Sinnelementen ihre eigenen kleinen lebbaren Konstruktionen“.
Diese Entwicklung verstärkt sich nun durch die Interessen-Communitys im Internet, durch jene Stämme, die sich rund um Themen und Thesen, Produkte und Persönlichkeiten bilden, vermittelt durch neue Kommunikationstechnologie. „Wir nehmen wahr, dass wir, vor allem auch durch das Internet, immer mehr Möglichkeiten haben, uns unsere Lebensnische zu suchen“, sagt Timo Off, der nach einigen Jahren als Lehrer heute das Schleswig-Holsteinische Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen berät und nebenher eine Agentur für Kommunikationstraining betreibt, in der er Lehrer und Manager fortbildet: „Lebenswege sind dabei weniger vorgezeichnet, als sie das noch vor ein paar Jahrzehnten waren. Denn das In-die-Wiege-Gelegte der Eltern verliert an Prägekraft, und wir sind vor die Wahl gestellt, welche Wege wir wirklich gehen wollen.“ Welche Konsequenzen er daraus allgemein, aber auch speziell für sein Fachgebiet, die Lehrerausbildung, ableitet, wollte ich genauer wissen.
Du argumentierst, dass wir alle eine Patchwork-Identität haben. Was bedeutet das für dich genau, und inwiefern trifft es auf dich selbst zu?
Timo Off: Ja, wir haben das in uns, der eine mehr, der andere weniger. Es gibt erfüllte Menschen, die in nur einem Aspekt voll aufgehen, deren Patchwork aus nur einem Flicken besteht. Potenziell ist das Leben allerdings bunter als nur eine Spur. In meiner Twitter-one-line-Bio steht: „7 Themen, 7 Leben, alles meins: Ideen finden, Ideen präsentieren, Bücher schreiben, Schulentwicklung, Bücher lesen, Familie, Handball.“ Das ergibt dann eine fröhliche Terminkollision allerorten und mir ein gutes Gefühl, derzeit genau das zu tun, was ich will.
Bist du ein Einzelfall oder siehst du hier einen Trend?
Off: Das moderne Leben und die „neuen“ Arbeitsformen verstärken diesen Trend. Während unsere Eltern es früher für erstrebenswert und normal hielten, an nur einem Arbeitsplatz 40 Jahre zu arbeiten, ist dies heute für viele undenkbar. Es ist meiner Großmutter unerklärlich, dass sogar ein Arbeitsplatz in einer Bank unsicher sein kann. Die Welt rückt dabei enger zusammen, wir können unglaublich einfach weltweit Kontakte knüpfen, Dinge oder Ideen kaufen oder verkaufen. Wir können, wenn wir wollen, in anderen Ländern leben und arbeiten oder zu Hause sitzen bleiben und dennoch weltweit agieren. In diesem Strudel an Wandel kann jeder Einzelne für sich entscheiden, wie er diese Veränderungen leben will: aktiv oder passiv. Dass sie passieren, dass wir unseren Arbeitsplatz immer öfter wechseln, kann man erleiden, kann man als Geschubster, als Spielball erdulden.
Wir nehmen das Leben selbst in die Hand?
Off: Aus meiner Sicht haben wir immer mehr Möglichkeiten, nicht das Schicksal bemühen zu müssen, wenn wir unser Leben erklären. Nicht mehr Eltern oder das Umfeld entscheiden fast schicksalhaft über den Sprössling, sondern die freie Entscheidung rückt immer weiter nach vorne. Wie will ich leben – das ist unsere Aufgabe. Sloterdijks letztes Buch, „Du sollst dein Leben ändern“, zitiert übrigens diesen Aspekt, dass wir immer unfertig sind und uns in Dinge einüben, stetig trainieren und lernen.
Welche Rolle spielt das Internet mit seinen Communitys und Interessengemeinschaften?
Off: Das Internet ist die Chance, dieses Patchwork zu leben, auszufüllen. Aus meiner Sicht ist das ein Ausdruck von Freiheit des Menschen.
Bleibe ich bei mir: Mit Internet potenziere ich meinen Wirkungskreis. Ich bin nicht sicher, ob ich vor 30 Jahren so leicht „meine Nische“ hätte bearbeiten können, so leicht eine riesige Menge an Artikeln zur Kreativität hätte finden können, ein Netzwerk von
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