Medaillon des Schicksals (German Edition)
ging sie nichts an.
»Ich werde eine Salbe anrühren«, sagte sie deshalb und wandte sich zum Gehen. »Eine Salbe aus Ringelblumen und Kamille, um die Entzündungen zu beruhigen.«
»Tut das, tut das«, bestätigte die Amme, doch dann fiel ihr Blick auf Rosarias Medaillon. Sie griff danach, drehte die Kette hin und her, dann blickte sie in Rosarias Gesicht.
Lange sah die alte Amme die junge Frau an, und in ihrer Miene spiegelten sich Verwirrung und ... Freude.
Behutsam ließ sie das Medaillon zurück in Rosarias Ausschnitt gleiten, dann machte sie ein Kreuzzeichen in Höhe der Stirn und sagte mit weicher Stimme:
»Willkommen auf der Burg, Olivenhändlerin. Wir haben lange auf dich gewartet.«
----
8. Kapitel
----
Rosaria war wie betäubt von all den Erlebnissen des Vormittags. Die Gedanken schwirrten in ihrem Kopf herum wie Bienen in einem Bienenkorb.
Sie hatte die Contessa kennen gelernt und im Leid erstarrt gefunden. Sie war dem Conte begegnet, und ihr kam es auch im Nachhinein noch so vor, als hätte sie mit dem Blick in seine Augen einen Blick in die Hölle geworfen. Und sie hatte Daria besucht und eine Nähe zu ihr verspürt, als kenne sie die andere seit Jahr und Tag. Und dann die Amme. »Wir haben lange auf dich gewartet.« Was sollte dieser Satz bedeuten? Ob Ambra wusste, was die Amme gemeint hatte?
Unwillkürlich musste Rosaria kichern. Sie sah die beiden Alten im Geiste beieinander sitzen und orakeln. Dann verbot sie sich das Kichern. Nein, über ein Orakel durfte man nicht lachen. Niemals. Man lachte damit das eigene Schicksal aus, hatte Paola ihr eingetrichtert. Aber vielleicht sollte sie die beiden alten Frauen doch einmal miteinander bekannt machen. Vielleicht hätten sie einander viel zu erzählen. Vielleicht könnte auch eine der anderen helfen, die Düsternis aus der Burg und dem Leben ihrer Bewohner zu vertreiben.
Doch jetzt musste sie erst einmal in den Burggarten, um Kräuter für Darias Salbe zu sammeln. Und den Liebestrank durfte sie auch nicht vergessen. Morgen Abend sollte die Verlobung stattfinden. Morgen Abend musste der Liebestrank verabreicht werden.
Rosaria machte sich im Kopf eine Liste aller Zutaten, die sie brauchte, dann verließ sie die karge Unterkunft und überquerte den Burghof auf der Suche nach dem Kräutergärtchen.
Im Burghof herrschte ein reges Treiben. Alles, was Beine hatte, schien mit den Vorbereitungen zur Verlobung von Giacomo und seiner Braut Isabella beschäftigt. Mägde und Knechte eilten mit Körben voller Lebensmittel über den Burghof. Stallburschen kratzten den Pferden die Hufe aus und neckten sich dabei mit den anderen Burschen, die gerade dabei waren, das Zaumzeug einzufetten.
Zwei Wachleute standen bei den Wäscherinnen, und einer von ihnen klopfte der jüngsten Wäscherin gerade unter großem Gelächter auf den Po. Hunde liefen auf der Suche nach Abfällen über den Hof, und aus dem Weinkeller kam ein dicker Mann und strich sich genüsslich über seinen gewaltigen Wanst. Eben rumpelte wieder ein Wagen mit dem Wappen des Florentiner Kaufmanns Panzacchi durch das Burgtor. Bedienstete eilten hinzu und luden Truhen voller Geschirr und Gläser ab. Das nahe Wäldchen erzitterte unter den Rufen der Jäger, die mit Karren voll erlegtem Wildbret zurück zur Burg kamen.
Aus der Bäckerei drang heute nicht nur der würzige Duft von gebackenem Brot, auch der Geruch von leckeren Mandeltörtchen und süßem Gebäck ließ so manchem das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Eben ließ der Torwächter eine kleine Gruppe Bettelmönche hinein und wies ihnen den Weg zur Küche. Rosaria lachte laut auf, denn in dem Moment, als die Mönche sich der Küche näherten, öffnete sich die Tür, und eine Küchenmagd leerte schwungvoll einen Eimer stinkenden Spülwassers aus, sodass die Mönche einen Satz machen mussten, um nicht nass zu werden.
»Rosaria«, rief eine Stimme hinter ihr.
Sie drehte sich um und sah Raffael auf sich zukommen.
»Rosaria, wo gehst du hin?«
»Zum Krautergärtchen, um die Zutaten für eine heilende Salbe zu suchen.«
Sie ließ ihre Stimme etwas frostig klingen, denn sie hatte den Zwischenfall und Raffaels schlechtes Benehmen im Heuschober nicht vergessen. Raffael bemerkte Rosarias Kühle und senkte den Kopf. Dann sah er seine Braut von unten an und fragte leise: »Bist du mir noch gram, Rosaria?«
Rosaria seufzte. Ja, sie war ihm noch böse. Er hatte sie schlecht behandelt, und sie wollte ihm von Anfang an klarmachen, dass sie ein solches
Weitere Kostenlose Bücher